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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo
Autoren: Magdalen Nabb
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suchen, aber der Wachtmeister erfuhr nicht, ob diese Aktion erfolgreich war, denn nach einem Böllerschuß wurde das Spiel wieder aufgenommen. Der Wachtmeister setzte die Sonnenbrille ab und wischte sich das verschwitzte Gesicht ab. Für den Rest des Spiels begnügte er sich damit, gelegentlich »Mein Gott…!« zu murmeln und die beruhigende Figur des Schwertträgers neben ihm im Auge zu behalten.
    Nach so vielen Jahren hatte er sich an all das natürlich gewöhnt und gelernt, die vier Mannschaften zu unterscheiden, die von den vier Stadtvierteln aufgestellt wurden und von denen nur zwei auf dem Spielfeld wirklich gefährlich waren. Zu ihnen zählte bedauerlicherweise die weiße Mannschaft seines eigenen Viertels. Bedauerlicherweise, da seine beiden Söhne, die er zusammen mit seiner Frau schließlich aus Sizilien nach Florenz hatte nachkommen lassen, sofort Anhänger der weißen Mannschaft geworden waren, so wie ihre Schulkameraden auch, und von ihm erwarteten, daß er seine Position dazu nützen würde, ihnen Eintrittskarten für das Turnier zu besorgen. Seine matten Einwände, daß er Karten nur für das Spiel zwischen Grün und Rot bekommen könne, stießen auf ein wütend-enttäuschtes »Oh, Mann!«
    Er hatte sich dann so weit drangsalieren lassen, daß er einwilligte, Karten für das einigermaßen ungefährliche Spiel zwischen Weiß und Grün zu besorgen. Alles, um den unvermeidlichen Endkampf zwischen Weiß und Blau zu vermeiden, ein furchtbares Flutlichtspektakel in der Nacht des Heiligen Giovanni, des Schutzheiligen der Stadt. In der Nacht zum 24. Juni.
    Und so kam es, daß ihm an jenem zweiten Sonntag im Juni, während er seinen massigen, dunkeluniformierten Leib auf dem schmalen Bürgersteig der Via Ulderighi durch die Menge drängte, nur etwas wirklich Sorgen bereitete, und das war die Tatsache, daß die Jungen mit ihren Freunden dem Wettkampf zusehen würden, das und die brennende Nachmittagssonne, die bewirkte, daß seine empfindlichen Augen trotz Sonnenbrille zu tränen anfingen. Immer wieder mußte er, von allen Seiten angerempelt, stehenbleiben, sein Taschentuch herausholen und versuchen, die Augen zu trocknen, ohne seine Brille abzusetzen. Hinter sich hörte er dröhnende Trommelrhythmen, die zwischen den hohen Dachsimsen widerhallten. Der Festzug war unterwegs. Er hatte einige seiner Polizisten zum Dienst während des Spiels abordnen müssen, während er selbst nur deswegen dorthin ging, weil er seine Söhne im Auge behalten wollte. Trotzdem mußte er, als das graue Pferd an der Spitze des Umzugs seine Höhe erreichte, zugeben, daß ihm das Schauspiel gefiel, auch wenn er die Aggressivität des Turniers selbst ablehnte. Die Trommeln und Trompeten und die bunten Seidenfahnen, die in den engen Straßen in die Luft geschleudert wurden, ließen Florenz so aussehen, wie es aussehen sollte, und die Leute, die sich aus hohen Fenstern lehnten, um dem Schauspiel zuzusehen, verbreiteten eine fröhliche Stimmung, die etwas Ansteckendes hatte.
    Seine gute Laune hielt nicht lange an. Er war einen Moment stehengeblieben, abgelenkt von der Rüstung des grauen Pferds, das vor Erregung kaum zu beruhigen war. Es schnaubte und warf den Kopf zurück, und auf Nacken und Schultern bildete sich eine Schweißschicht. Der Ritter im Sattel, angetan mit einem Umhang, wahrte seine strenge und kompetente Miene, aber nach Ansicht des Wachtmeisters beeindruckte seine Strenge die Zuschauer und weniger das Pferd, das in einen Trab überzugehen versuchte, dann aber gezügelt wurde und wieder weitertrottete. Die Menge drängte zurück, gegen den Wachtmeister. Irgend jemand zupfte kräftig an seinem Ärmel.
    »Hier! Wachtmeister!«
    Er drehte sich um. Ein baumlanger Mensch stand direkt hinter ihm, die Kamera auf den Schmuck des grauen Pferdes gerichtet.
    »Hier entlang! Schnell!«
    »Wer zum Teufel…?«
    Eine Frau berührte seinen Arm und deutete auf zwei hohe, beschlagene, von einem Baugerüst eingerahmte Flügeltüren, von denen die eine einen Spalt offenstand.
    »Dort ist er reingegangen.«
    Ein merkwürdiges kleines Gesicht guckte heraus, und eine Hand winkte ihn ungeduldig herbei und verschwand dann.
    Verwirrt ging der Wachtmeister auf die Tür zu und starrte in die Düsterkeit dahinter. Er konnte nichts erkennen. Er setzte seine Sonnenbrille ab, stieß die Tür auf und ging hinein. Er war kaum eingetreten, als die Tür krachend zufiel und eine kleine Gestalt hinter ihm auftauchte.
    »Hier entlang!«
    Die Gestalt schloß ein
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