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Tochter des Drachen

Tochter des Drachen

Titel: Tochter des Drachen
Autoren: Ilsa J.Bick
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spitzte er die Ohren, als er das zögernde Klacken der Absätze bemerkte. Durch das Humpeln des Kopfgeldjägers wirkte ein Schritt schwerer als der andere. C konnte nicht umhin, den Mann zu bewundern. Nicht einmal, um schneller ins Trockene zu kommen, hatte er das Humpeln abgelegt. Mit zum Zerreißen gespannten Nerven wartete C. Sein Mund war ausgedörrt, der Puls hämmerte durch seine Adern. Noch zehn Schritte, dann noch fünf. Jetzt sah er den zuckenden schwarzen Schatten durch den Vorhang seiner Wimpern.
    Noch fünf Schritte, vier, drei... und als der Kopfgeldjäger auf seiner Höhe war, hob C den Kopf, wie ein Säufer, der sich mühsam aufraffte. »He, Kumpel«, murmelte er und stolperte einen Schritt vor. »He, Kumpel, hasse mal...«
    Das unverkennbare Klirren von Metall erklang, und das Letzte, was C sah, war ein leuchtend heller, stählerner Bogen. Aber das spielte keine Rolle mehr, denn bevor sein Gehirn das Bild in einen Begriff übersetzen konnte - Messer -, schnitt etwas von rechts nach links durch seine Kehle. Er hörte ein seltsam pulsierendes Platschen, wie Wasser aus einem Springbrunnen, das auf eine Kachel schlug. C war zu überrascht, um Schmerz zu fühlen, und als er die Hand zum Hals hob, blitzte es noch einmal metallisch auf, diesmal in umgekehrter Richtung, und er verlor auch noch die Fingerspitzen der l ink en Hand. Plötzlich bekam er keine Luft mehr.
    Würgend krallte C ein paar Stummelfinger in seinen Hals, als seine Knie nachgaben und die Umgebung vor seinen Augen verschwamm. Seine Lunge brannte, und das Plätschern des Regens wurde so dünn und fadenscheinig wie Nebel. Der letzte Gedanke Cs war, dass ihn der Geruch seines Blutes an ein Spielzeugauto erinnerte, das er als Kind besessen hatte: ein zu oft draußen im Regen vergessenes Spielzeug, übersät mit Rostbeulen, die nach nassem Kupfer rochen. Genauso roch sein Blut.
    Es klickte.
    Es klickte, als er den ISA-Agenten sah, der so tat, als wäre er ein Betrunkener. Da klickte es. In einem tiefen, dunklen Winkel seines Geistes wurde ein Schalter umgeworfen, und plötzlich schien sein Kopf mit Helium gefüllt zu sein. Sein Geist wanderte, sein Bewusstsein hing wie ein Kinderballon über dem Körper und er beobachtete das Geschehen wie eine
    Tanzdarbietung: die Drehung, in der sein rechtes Handgelenk nach vorn zuckte. Die Art, wie die rasiermesserscharfe Klinge aus dem Versteck im Ärmel des Kaschmirpullovers sprang - wie die Zunge eines Chamäleons. Den unverwechselbaren Augenblick, in dem es keine Luft mehr durchschnitt, sondern Fleisch und Blut. Den Schock des Agenten, die Verwirrung, schließlich das dumpfe Entsetzen, als der zweite Hieb seine Luftröhre durchtrennte. Und das Blut, die Ströme von Blut, die auf den Asphalt spritzten und sich mit dem Schlamm vermischten, dem aufgeweichten Zeitungspapier und dem restlichen Müll, den der Wolkenbruch in die Gosse fegte.
    Dann klickte es noch einmal, und sein Geist schob sich zusammen wie ein Fernrohr. Ein guter Zeitpunkt, denn er hatte keine Eile und konnte den Augenblick genießen. Seine Zunge glitt über die Lippen. Er schmeckte etwas Warmes, Brackiges. Blut. Er schaute hinab auf den blauen Kaschmirpullover, auf dem sich große violette Flecken ausbreiteten. Zu schade. Er hatte diesen Pullover so gemocht. Besonders gefiel ihm daran der Geruch des Vorbesitzers: Pfeifentabak und würziges Rasierwasser. Dann zuckten seine Handgelenke auswärts. Das Blut des draco-nischen Agenten spritzte wie Tränen von den Messerklingen. Ein Zucken einwärts, und die beiden Messer verschwanden in ihren Verstecken unter den Ärmeln des Pullovers.
    Was für ein hübsches Spielzeug. Zu schade, dass der ursprüngliche Eigentümer der Messer und der Kopfgeldjäger sich nicht mehr zu einem freundlichen Plauderstündchen unter Meuchelmördern hatten zusammensetzen können. Aber das Letzte, das er von ihm gesehen hatte, war sein nur von verschlissenen Shorts bedeckter Hintern, der träge stromabwärtstrieb, nachdem er den Jäger aus seiner Rüstung gekippt hatte. Er ging in die Hocke und betrachtete den Dampfschleier, der von dem abkühlenden Fleisch aufstieg, und das Blut, das sich in einer schwarzen Pfütze auf dem Asphalt sammelte. Tonlos summend zog er ein zwölf Zentimeter langes Jagdmesser aus der Scheide auf seinem Rücken und machte sich an die Arbeit. Als er fertig war, hielt er den bluttriefenden Kopf des Toten in der Linken. Seine Augen waren vorgetreten, die Kinnlade ausgerenkt. Die Zunge schlug hin und
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