Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 21

Titan 21

Titel: Titan 21
Autoren: Brian W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
grellen Schein und spiegelte sich in den Nietenköpfen seines breiten Ledergürtels und auf den Muskelsträngen seiner langen Beine. Er glitt auf ein paar Essensresten aus, richtete sich wieder auf und warf sich mit einem Satz in die schützende Finsternis einer Türnische. Er drückte sich in die Schatten und spürte das Brennen des neuen Brandmals auf seiner Schulter kaum, das ihn als Piraten kennzeichnete.
    Undeutlich hörte er die Rufe und die stampfenden Füße der Polizei des Diktors, die in den Straßen nach ihm suchten. Sein Herzschlag raste unter seinen Rippen. Red Angus grinste schief.
    Er war ein gejagter Raumpirat, der sich gerade aus den Zellenblöcken unter dem Palast befreit hatte. Aber für den Diktor von Karr war er mehr. Er war ein karrvanischer Adeliger, der auf die schiefe Bahn geraten war, der in den Weltraum geflohen und auf einem wandernden Asteroiden sein Raubvogelnest errichtet hatte. Der ganz alleine einen Ein-Mann-Kreuzzug gegen Stal Tay angetreten hatte, den Herrscher von Karr von Gnaden des Gottes Stasor.
    »Ich werde einen Weg finden«, schwor der Pirat in der Finsternis und lauschte auf die Rufe und die hastigen Schritte der Wachen und die scharfen, bellenden Schüsse ihrer Hitzestrahler.
    Hinter der dicken Eichentüre war ein schwaches Geräusch zu vernehmen. Angus löste den nassen Rücken von dem feuchten Holz. Seine mächtige Faust ballte sich, und dann stand er stumm da und wartete.
    Er war ein großer Mann, mit schlanker Taille und breiten Schultern. Sein Mund war dünn und etwas nach oben gebogen, als wäre er daran gewöhnt zu lächeln. Kurz gestutztes rötliches Haar ließ sein hartes, gebräuntes Gesicht feurig wirken. Seine dunkelblauen Augen blitzten, wenn sie nicht im Raumfahrerblick zusammengekniffen waren.
    Die Eichentüre schwang auf. Eine Gestalt, die eine Kapuze halb verbarg, stand in der Finsternis des Bogens und hielt ihm eine dünne alte Hand hin. Unter der Kapuze war anstelle eines Gesichts nur etwas unbestimmt Weißes zu erkennen.
    »Der Hierarch will dich sehen und dich retten, Red Angus«, sagte der alte Mann. »Komm herein! Er hofft, daß du auf Vernunft hören wirst.«
    »Der Hierarch?« stieß der Pirat ungläubig hervor. »Der arbeitet doch Hand in Hand mit Stal Tay. Der würde mich nur in Ketten legen und mich ausliefern.«
    Der Mann unter der Kapuze schüttelte den Kopf und flüsterte: »Schnell, schnell! Jetzt ist keine Zeit für Fragen!«
    Ein Ruf von der weniger als zwanzig Meter entfernten Straße trieb den halbnackten, ausgepumpten Angus zur Entscheidung. Er zuckte die Achseln, eine verbitterte Geste, und schob sich durch die geöffnete Tür. Der Riegel fiel herunter, und eine Hand griff nach der seinen. Eine Stimme, die das Alter sanft gemacht hatte, sagte leise: »Folge mir!«
    Nachdem sie vielleicht sechzig Meter zurückgelegt hatten, begannen die Wände zu leuchten. Angus blickte auf seinen Führer und sah einen alten Mann, ein Mitglied der Hierarchie, einem priesterähnlichen Kult von Wissenschaftlern, die der Diktor ehrte und schützte. Vor dreißig Jahren, als Seuchen in der Unterstadt gewütet hatten, hatte das Volk die Gebäude gestürmt, in denen die Wissenschaftler arbeiteten.
    Sie hatten Maschinen zerstört und Menschen getötet.
    Die Menschen der Unterstadt waren nicht besser als Wilde, und Stal Tay förderte ihren heidnischen Aberglauben. Die Vorstellung, daß die Wissenschaft nur den Reichen gebührte, erfreute den Diktor. Und so schaltete Stal Tay sich ein. Er zog die Wissenschaftler aus der Welt der Menschen heraus und gab ihnen ihre eigene kleine Welt, die sich ›die Zitadelle‹ nannte.
    Red Angus und der Wissenschaftler gingen durch gewundene und gekrümmte Korridore. In diesem unterirdischen Tunnel herrschte Stille. Einmal hörte Angus aus der Tiefe den Wellenschlag eines verborgenen Flusses, der dem großen Carolanischen Meer zustrebte. An den kalten Steinwänden kondensierte Wasser in dicken Tropfen.
    Dann schritten sie auf grobbehauenen Steinstufen einem Bogen zu, in dem sich eine dicke, rußgeschwärzte Tür öffnete. Lichter flammten hinter dem Bogen in einem großen Saal mit hoher Balkendecke.
    Als ersten sah er Tandor, der mächtig und breit unter den Priestern mit ihren Kapuzen stand und auf dessen kahlen Schädel das Licht von den Wänden fiel.
    Er hatte es ihnen nicht leicht gemacht, ihn aus der Unterstadt zu holen, sah Angus. Er war an einigen Stellen verwundet, und verkrustetes Blut war auf seiner rauhen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher