Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 11

Titan 11

Titel: Titan 11
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
das nicht tun sollten. Und nachdem er sie erst einmal gesehen hatte, schien es erst recht keinen Grund dafür zu geben, denn es war klar, daß sie an eine bessere Umgebung gewohnt sein mußten als an dieses von der Zeit schon arg mitgenommene alte Haus.
    Der Wert, den dieses Haus plötzlich bekommen hatte, erschien ihm überaus seltsam. Er konnte sich ganz und gar nicht vorstellen, wieso zwei Gruppen halb anonymer Leute so begierig sein sollten, es noch im Mai zu erwerben.
    Schweigend führte Oliver seine Mieter die Treppe hinauf zu den drei großen Schlafzimmern an der Vorderfront des Hauses. Er war sich dabei der rothaarigen Frau und der Art, wie sie ihn mit einem heimlichen Interesse beobachtete, genau bewußt. Ihre Blicke waren recht freundlich, und in ihrem Interesse an ihm lag ein seltsamer Unterton, den er nicht genau einordnen konnte. Er war zwar vertraut, aber nicht zu fassen. Er dachte daran, wie angenehm es sein würde, sich mit ihr allein zu unterhalten, wenn er nur diese nicht zu fassende Haltung einfangen und bezeichnen könnte.
    Er ging hinunter zum Telefon und rief seine Verlobte an.
    Sues Stimme quiekte im Hörer vor Aufregung.
    »Oliver, so früh schon? Mann, es ist ja noch nicht einmal sechs. Hast du ihnen klargemacht, was ich gesagt habe? Werden sie gehen?«
    »Kann es noch nicht sagen. Ich bezweifle es. Weißt du, Sue, schließlich habe ich ja auch ihr Geld genommen.«
    »Oliver, sie müssen einfach ausziehen! Du mußt irgend etwas unternehmen!«
    »Ich versuche es ja, Sue. Aber ich mag die ganze Sache einfach nicht.«
    »Nun, es gibt keinen Grund, weshalb sie nicht irgendwo anders wohnen sollten. Und wir brauchen das Geld. Du mußt dir eben etwas einfallen lassen, Oliver.«
    Oliver erblickte seine eigenen besorgten Augen im Spiegel über dem Telefon und zog ein finsteres Gesicht. Sein strohfarbenes Haar war strubblig, und auf seinem hübschen, gebräunten Gesicht stand ein heller Stoppelbart. Er bedauerte, daß die rothaarige Frau ihn in solch einem unordentlichen Zustand gesehen hatte. Dann ermahnte ihn beim Klang von Sues fester Stimme sein Gewissen, und er sagte: »Ich werde es versuchen, Liebling, ich werde es versuchen. Aber ich habe ihr Geld genommen.«
    In der Tat hatten sie eine recht hohe Summe bezahlt, beträchtlich mehr, als die Räume wert waren, sogar in einem Jahr hoher Preise und hoher Löhne. Das Land steuerte gerade einer jener berühmten Epochen zu, auf die man sich später mit Begriffen wie ›Die ausschweifenden vierziger Jahre‹ oder ›Die goldenen Sechziger‹ bezog, eine angenehme Periode nationaler Euphorie. Es waren anregende Zeiten – solange sie andauerten.
    »In Ordnung«, stimmte Oliver resigniert zu, »ich werde mein Bestes tun.«
    Doch während die nächsten Tage verstrichen, wurde er sich bewußt, daß er nicht sein Bestes tat. Dafür hatte er mehrere Gründe. Von Anfang an war die Idee, für die Mieter zu einer Plage zu werden, von Sue gewesen und nicht die seine. Und wäre Oliver ein klein wenig entschlossener gewesen, hätte er niemals damit begonnen. Die Überlegungen kamen von Sue, aber…
    Zum Beispiel waren die Mieter so faszinierend. Alles, was sie sagten oder taten, trug eine gewisse Umkehrung in sich, als ob man einen Spiegel vor einen gewöhnlichen Menschen gehalten habe und sein Bild seltsame Abweichungen von der Norm zeigte. Ihr Verstand arbeitete auf einer anderen Grundlage als der seine, dachte Oliver. Sie empfanden heimliches Vergnügen bei völlig ernsten Gelegenheiten; trotz ihrer gönnerhaften Haltung und ihrer kühlen Reserviertheit lachten sie für Olivers Geschmack viel zu häufig.
    Er traf sie gelegentlich auf ihren Wegen zu und von ihren Räumen. Sie waren höflich und abweisend, und das, so vermutete er, nicht aus Ärger über seine Anwesenheit, sondern aus reiner Gleichgültigkeit.
    Den größten Teil des Tages verbrachten sie außer Hause. Das wundervolle Maiwetter hielt ungebrochen an, und sie schienen sich ihm in unverhohlener Bewunderung hinzugeben, völlig zuversichtlich, daß der warme, hellgoldene Sonnenschein und die wohlriechende Luft nicht von Regen oder Kälte unterbrochen werden könnten. Sie waren sich dessen sogar so sicher, daß Oliver sich unbehaglich fühlte.
    Sie nahmen pro Tag nur eine Mahlzeit im Haus ein, ein spätes Mittagessen. Und ihre Reaktion auf die Mahlzeiten war unvorhersagbar. Manche Gerichte wurden mit Gelächter aufgenommen, andere wiederum mit leichtem Ekel. Zum Beispiel berührte keiner von ihnen je
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher