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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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Riesenviehs umzusehen und es zu untersuchen?
    Er teilte dem Kapitän seine Besorgnisse mit, und dieser beruhigte ihn: »Die Anzüge wurden getestet und ebenso die Schläuche. Wir wissen, daß ihnen eine halbe Stunde im Innern nichts anhaben kann. Falls und wenn sie sich aufzulösen beginnen, dann sagen Sie uns das über Ihr Helmfunkgerät, und wir ziehen Sie rauf.«
    »Danke. Und woher soll ich wissen, daß der Anzug nicht einfach zerreißt, sobald er sich aufzulösen beginnt? Woher soll ich wissen, ob ich nicht schlicht und einfach verdaut werde?«
    Darauf gab es keine Antwort. Man wußte es einfach nicht, und damit mußte man sich abfinden.
    Noch während er protestierte, begann Dr. Meltzer den Anzug anzulegen. Das Material war dünn und leicht, fest genug, um einem Druck von mehreren Atmosphären standzuhalten, und trotzdem nicht so steif, daß es seine Bewegungen wesentlich behindert hätte. Instrumente und sonstige Hilfsmittel waren in abgedichteten Taschen untergebracht. Eine perfekte Sprechfunkverbindung würde einen eventuellen Ideenaustausch (falls es dazu kam) so leicht machen, als würde er mit dem Betreffenden von Angesicht zu Angesicht reden. Zum Anzug gehörte ein Paar dünn aussehende Handschuhe, in denen seine Hände nahezu die gleiche Bewegungsfreiheit hatten wie ungeschützt. Trotzdem besaßen sie eine hohe Reißfestigkeit.
    Was aber schützte ihn gegen biochemische Einwirkungen? Dieser Punkt beunruhigte ihn nach wie vor. Er sagte sich jedoch, daß man bei solchen Dingen einfach ein Risiko eingehen mußte. Man riskiert’s, dachte er, und hofft, daß sie einen schnell genug rausziehen, wenn etwas schiefgeht.
    Alles war bereit. Zwei Leute von der Besatzung hatten ebenfalls Anzüge angelegt, und als er fertig war und alles überprüft hatte, gab der Kapitän das Zeichen, und sie traten alle drei in die kleine Luftschleuse. Die Tür hinter ihnen schloß sich, und vor ihnen glitt eine auf. Sie standen nun in der Kammer, in der das Riesentier lag und wie von Schmerzen gequält zitterte.
    Die beiden anderen Männer knoteten eine feste Nylonleine um Doktor Meltzers Taille und überprüften die Sauerstoffschläuche. Dann stellten sie vor dem Gesicht des Riesentiers eine Leiter auf. Meltzer bekam etwas Atemschwierigkeiten, aber nicht, weil mit der Sauerstoffversorgung etwas nicht in Ordnung gewesen wäre. Der Sauerstoff hatte den richtigen Druck und Feuchtegehalt und war mit der richtigen Menge Edelgase vermischt. Es war nur der Gedanke, daß er jetzt gleich in den Bauch dieses Ungeheuers hinunterkriechen würde, der ihm die Kehle zusammenpreßte, die Vorstellung, in eine dermaßen fremde und schreckliche Umgebung vorzudringen und sich allen möglichen unbekannten Gefahren auszusetzen.
    Schließlich krächzte er ins Helmmikrofon: »Wie soll ich eigentlich reingelangen, klopfen? Das Maul liegt mehr als zehn Meter über dem Boden. Und es ist geschlossen. Sie werden es irgendwie aufbringen müssen, Captain. Oder erwarten Sie, daß ich das besorge?«
    Seine beiden Begleiter klappten die Plastikleiter auf. In der geringen Schwere des Mars war es kein Problem, zehn Meter eine Leiter hochzuklettern. Dr. Meltzer begann sich hinaufzuziehen. Weiter oben bemerkte er, daß das Riesenmaul sich langsam öffnete. Einer der Männer hatte das Tier mit einem Elektrostab gereizt.
    Dr. Meltzer erreichte die Höhe des Unterkiefers und starrte mit der ängstlichen Faszination eines Vogels, der von einer Schlange bedroht wird, in die große Öffnung, die ihn verschlingen würde. Die Oberfläche innen war grau und glitschig und reflektierte den Strahl seiner Taschenlampe hierhin und dorthin, bis der letzte Lichtschimmer in der Tiefe erlosch. Rund siebzehn Meter weiter hinten bog sich der Schlundgang leicht zur Seite. Was dahinter lag, konnte man nicht erkennen.
    Das Vernünftigste wäre gewesen, sofort hineinzusteigen, aber es war nur verständlich, daß er zögerte. Wenn die Kiefer nun zuklappten, während er sich gerade dazwischen befand? Er würde wie eine Eierschale zerdrückt werden. Oder wenn die Kehle des Viehs sich durch die Irritation zusammenzog, die er verursachte? Auch das würde ihn zerquetschen. Er erinnerte sich plötzlich an eine alte Fabel von einem Mann, der von einem Walfisch verschluckt worden war. Wie hatte er doch geheißen? Daniel – nein, der war nur in eine Löwengrube gestiegen. Hiob – auch nicht. Hiob hatte unter Furunkeln gelitten, das Opfer von Staphylokocken, also Lebewesen vom anderen Ende der
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