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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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heisere, aufgeregte Stimme Tom Lintons, des Friedensoffiziers der Stadt. »Sie sollten lieber schleunigst rauskommen!«
    »Was ist los, Tom? Und wohin soll ich kommen?«
    »Zum Raumhafen. Ein Schiff, manövrierunfähig – es ist fast mit Phobos zusammengestoßen – sie haben Bruchlandung gemacht. Man braucht Sie dringend.«
    »Ich komme.«
    Jede Schläfrigkeit war aus seinem Gesicht verschwunden. Er schnappte seine Nottasche und nahm noch eine Menge Antibiotika und Mehrzweckverbände mit. Er hatte keine Ahnung, wieviele Leute verletzt worden waren, und er mußte darauf vorbereitet sein, notfalls eine gesamte Mannschaft zu verarzten.
    Sein Biwagen wartete vor dem Haus. Er brachte seine Ausrüstung unter und stieg hastig ein. Die Betätigung eines Schalters lieferte dem Fahrzeug sofort die volle Sendeenergie, und einen Augenblick später erhob es sich in die Luft und schwebte über den glatten Weg dahin, der durch das der Wüste abgerungene Anbauland führte.
    Der Raumhafen war kaum dreißig Kilometer entfernt, und er war in weniger als zehn Minuten dort. Als er näher kam, schaltete die Ampel an der Kreuzung auf Grün. Naja, dachte er, als Landarzt mit einer Spezialzufahrt hat man wenigstens den Vorteil, daß man immer Vorrang kriegt. Und was gibt’s sonst noch für Vorteile? Keine nennenswerten. Da schuftet man sich durch das Studium, schließt es glänzend ab, träumt davon, der Menschheit zu helfen, großartige medizinische Forschungen durchzuführen, Entdeckungen zu machen, die das Leben des Menschen länger und ein wenig glücklicher werden lassen – und dann, irgendwie, merkt man eines Tages, daß man festsitzt. Der Posten irgendwo draußen im Pionierland, der nur die erste Stufe zu Höherem sein sollte, wird unmerklich zur Lebensstellung. Man stellt fest, daß die wichtigsten Patienten gar nicht Menschen, sondern die Nahrung liefernden Tiere sind. Auf dem Mars gibt es viele Männer und Frauen, aber nur wenige Kühe und Schafe. Wenn man lernt, die zu behandeln, dann erst ist man wichtig. Wenn man eine Kuh rettet, dann spricht sich das schneller herum, als hätte man einen Menschen gerettet. Und so gewinnen die Tiere nach und nach immer mehr Bedeutung in der Praxis, und man wird bei den Leuten bekannt, sogar beliebt. Dann heiratet man, bekommt Kinder, rutscht in eine Routine hinein, die die Bedeutung der rasch enteilenden Tage verwischt. Man wird fünfzig – und auf einmal begreift man, daß das Leben an einem vorübergegangen ist. Die Hälfte von dem Jahrhundert, das jedem Menschen zusteht, ist verstrichen, ohne daß es einem so recht bewußt gewesen wäre. Die große Chance, der man einmal mit so viel Optimismus entgegensah, ist in die Ferne entschwunden.
    Was hatte man eingetauscht gegen all das, was einem die Jahre genommen hatten? Eine Frau, einen Jungen, ein Mädchen…
    Der weiche Stoß der vom Raumhafen ausgestrahlten Bremsenergie fing sein Fahrzeug auf. Der abrupte Beschleunigungswechsel riß ihn aus seiner Grübelei, und er erkannte, daß das gesamte Gelände hell beleuchtet war. Ein gewaltiges Schiff lag mitten auf dem Landefeld. Es war mindestens dreihundert Meter lang, und er sagte sich, daß die Besatzung wenigstens aus zwei Dutzend Leuten bestehen mußte. Er hoffte, daß es keine Toten gegeben hatte.
    »Doc!«
    Tom kam zu ihm gerannt. »Wie viele Verletzte, Tom?«
    »Sämtliche Verletzungen sind geringfügig, Doktor«, erklärte eine scharfe Stimme. »Nichts, womit ich nicht gut allein fertig würde.«
    Als er den Mann in der goldbetreßten Uniform musterte, der neben Tom getreten war, verspürte er etwas wie Enttäuschung. Wenn es keine ernsten Verletzungen gab, weshalb dann diese Aufregung, diese Eile? Warum hatten sie ihn nicht während der Fahrt angerufen, ihm gesagt, daß er nicht gebraucht würde, und ihn wieder ins Bett gehen lassen?
    »Ich dachte, es hätte eine Bruchlandung gegeben.«
    »Die Bruchlandung war nicht der Rede wert. Linton hier hat’s mit der Aufregung gekriegt, weil wir fast Phobos streiften. Aber wir wollen jetzt damit keine Zeit verschwenden. Dr. Meltzer, man hat mir gesagt, Sie seien ein erstklassiger Tierarzt.«
    Er lief rot an. »Ich hoffe, Sie haben mich nicht aus dem Bett geholt, damit ich einen kranken Hund oder so was behandle. Ich habe nicht viel übrig für Schiffsmaskottchen…«
    »Es handelt sich keineswegs um ein Schiffsmaskottchen, das können Sie mir glauben. Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen Ihren Patienten.«
    Er folgte dem Kapitän schweigend die Rampe
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