Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef
Autoren: Andreas Pittler
Vom Netzwerk:
überflüssig. Viel wichtiger wäre es ihm gewesen, der Mann hätte ihm auseinandergesetzt, wo er den Apparat des Kaffeehauses finden könnte. Doch sein Gegenüber schien der Auffassung zu sein, er habe Bronsteins Wissensdurst ausreichend gelöscht, und schickte sich an, sich wieder seinen Verrichtungen zuzuwenden.
    „Und wo find ich das?“, fragte Bronstein daher.
    „Wos?“ Der Marqueur richtete sich wieder auf.
    „Das Telefon“, schnarrte Bronstein mit einer Stimme, die eine baldige Eruption signalisierte.
    „Ah so. Glei am Schank links ume, dann drahn S’ Ihna halbrechts, durch’n Gang, der Ihna entgegenschaut, nachher schief gradaus und dann quer links an die Häusln vorbei.“
    Bronstein erwog den Erwerb eines Tropenhelms und ähnlichen Equipments, um für eine solche Expedition gerüstet zu sein. Dann schickte er einen gottergebenen Blick gen Himmel und erhob sich. Nach einer halben Ewigkeit hatte er das Telefonzimmer gefunden. Er nahm den Hörer in die Hand und läutete an. Das Fräulein vom Amt meldete sich.
    „12312“, sagte Bronstein.
    Es dauerte eine weitere halbe Ewigkeit, ehe er Langs Stimme vernahm. „Dir ist aber schon klar, dass du den ganzen Bericht machst, oder?“, vergewisserte sich Bronstein.
    „Ah so?“
    „Ja, genau ah so!“, erklärte der Vorgesetzte bestimmt. Das erschöpfte Pfeifen Langs ignorierte er. „I bin in zwanzig Minuten wieder da. Dann liegt der Bericht fertig auf meiner Seit’n vom Schreibtisch. Alsdern, bis dann.“
    Bronstein läutete ab. Nun konnte er zufrieden zu seiner Melange zurückkehren. Oder auch nicht. Er hatte kaum vor seinem Kaffee Platz genommen, als ein weiterer Pikkolo auf ihn zutrat. „Der Herr Oberkommissär werden am Telefon verlangt.“
    Das konnte nur Lang sein. Er wusste als Einziger, wo Bronstein sich befand. War dem alten Schlawiner mit der entsprechenden zeitlichen Verzögerung eine Ausrede eingefallen, weshalb er den Akt doch nicht fertigmachen konnte? Nein, das würde der Lang nicht wagen. Er würde ihn nicht deswegen vom Kaffee wegholen, Langs Wege waren in solchen Fällen gewundener. Bronstein würde erst im Amtszimmer von der Malaise erfahren, und auch dies nur durch einen lapidaren Zettel, der von Bauchkrämpfen, Kopfschmerzen oder ähnlichen Leiden kündete, die Lang zum sofortigen Rückzug gezwungen hätten, weshalb der Akt nun leider, leider doch wieder auf Bronsteins Schreibtischhälfte lande.
    Wegen einer solchen Ausflucht würde Lang also nicht das Fräulein vom Amt bemühen. Bronstein nahm einen großen Schluck aus der Kaffeetasse und begab sich dann ein zweites Mal ins Telefonzimmer.
    „Wos is?“, belferte er in den Hörer.
    „Wir ham a Leich“, entgegnete Lang am anderen Ende der Leitung.
    Bronstein hatte Mühe, seine Emotionen zu zügeln. Um ein Haar hätte er „Hurra!“ gerufen. Endlich, endlich nicht mehr nervtötende Bagatellen, endlich ein richtiges Verbrechen. Nach fünf Jahren wieder einmal wirklich Polizist sein, dachte er und jubilierte innerlich. Dann atmete er kurz durch und bemühte sich, gelassen zu wirken.
    „Wo?“
    „In an Zinshaus, gleich gegenüber vom Westbahnhof.“
    „Na, dann packen wir’s. Ich bin sofort bei dir.“
    Er kehrte zu seinem Tisch zurück, trank den Kaffee aus und signalisierte einem der Bediensteten, er wolle zahlen.
    „Bitt schön, ich bin kein Zahlkellner. Da müssen S’ Ihnen an den Ober wenden.“
    Na gut, wenigstens waren die einzelnen Kategorien im Servierpersonal leicht zu unterscheiden. Die Pikkolos trugen weiße, die Oberkellner hingegen schwarze Sakkos. Bronstein wartete also, bis er eines Schwarzrocks ansichtig wurde, und wiederholte sein Begehr: „Zahlen, bitte!“
    „Is ned mei Rayon.“ Der Mann beachtete Bronstein nicht weiter und enteilte in Richtung Schank. In Bronstein kam leichter Unmut auf. Ein zweiter Ober passierte seinen Tisch. „Zah …“ Und weg war er. Bronsteins Geduld kam an ihr Ende. Wenn die sein Geld nicht wollten, dann ging er eben so.
    „Will denn niemand mein Geld?“, fragte er laut in den Raum.
    „I nehmat’s scho“, ließ sich ein vorwitziger Gast vernehmen.
    „Ha ha“, machte Bronstein nur.
    „Jetzt pudeln S’ Ihnen ned so auf, der Herr. I bin ja eh scho do.“ Schnaufend kam der Zahlkellner auf ihn zugewankt, erfasste bedächtig Bronststeins Konsumation und nannte dann den zu entrichtenden Preis. Er nahm das Geld entgegen, verbeugte sich andeutungsweise und wünschte Bronstein noch einenguten Tag. Ja, Sie mich auch, dachte der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher