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Timeless: Roman (German Edition)

Timeless: Roman (German Edition)

Titel: Timeless: Roman (German Edition)
Autoren: Alexandra Monir
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seines späteren sensationellen Wohlstands, den er sich durch Handel und Immobilien erwarb. Seine Nachkommen brachten das Imperium noch weiter voran, indem sie zu Geschäftsführern des neu entstehenden Unternehmens der New Yorker Eisenbahn wurden …«
    Mrs. Brewers Stimme schien leiser und leiser zu werden, während sich Michele umschaute und ihre Klassenkameraden betrachtete, von denen einige zuhörten und sich Notizen machten, der Rest jedoch eindeutig mit den Gedanken abschweifte. Doch keiner von ihnen hätte wohl je geglaubt, dass Michele Windsor, ihre Mitschülerin an der Crossroads High, eine Nachfahrin dieser Familie war.
    Marion sagte oft, dass ihre Geschichte eine Warnung für alle Erbinnen von Manhattan sei und dass Privilegien immer mit einer Schattenseite einhergingen, die nur wenige zu sehen vermochten. Ihre Nachbarn in der ruhigen Stadt Venice Beach in der Nähe von Los Angeles hielten Marion und Michele Windsor für das Paradebeispiel einer alleinerziehenden Mutter mit Tochter, ohne auch nur im Entferntesten an eine Verbindung mit der berühmten, an der Ostküste lebenden Familie gleichen Namens zu denken. Und genau das gefiel Marion: die Anonymität.
    Während Micheles Tanten, Onkel und Großeltern in New York ein Leben voller Glamour und Luxus führten, die Sommer in Europa verbrachten und Einladungen zu Dinnerpartys im Weißen Haus und zu Premieren am Broadway erhielten, kämpften Marion und Michele, um mit Marions bescheidenem, mit Kleiderentwürfen verdientem Einkommen über die Runden zu kommen. Mit einem Job als Kellnerin verdiente sich Michele ein bisschen Taschengeld dazu.
    Während der oft schmerzlichen Tage der Kindheit, in denen nie genug Geld da gewesen war, um mit ihren Freundinnen ins Zeltlager zu fahren oder coole Klamotten und den neuesten Technikschnickschnack zu kaufen, wäre es leicht gewesen, verbittert zu reagieren. Doch Michele wusste schon früh, dass sie kein Recht hatte, sich zu beklagen, denn sie wäre nie geboren worden, wenn Marion nicht »im Exil« gelebt hätte.
    Als Michele alt genug war, um die ganze Geschichte zu verstehen, hatte Marion sie ihr erzählt – ein einziges Mal nur. Es war eine Geschichte, die sich Michele unauslöschlich eingeprägt hatte, eine, deren Details sie sich sofort ins Gedächtnis rufen konnte, ohne ihrer Mutter je wieder den Schmerz bereiten zu müssen, das Thema zur Sprache zu bringen.
    Im Jahr 1991 hatte sich die sechzehnjährige Erbin Marion Windsor in Henry Irving verliebt, einen Neunzehnjährigen aus der Bronx. Die beiden lernten sich in einem Fotografiekurs im Museum of Modern Art kennen, und Marion war auf Anhieb von Henry fasziniert. »Er war so … völlig anders als all die Jungen, die ich sonst kannte. Es war, als käme er aus einer anderen Welt. Alles an ihm, selbst sein Name, schien mir besonders und einzigartig zu sein.«
    Michele erinnerte sich, wie ihre Mutter schon an dieser Stelle innegehalten, schwer geschluckt und ein paarmal tief Luft geholt hatte, so als nehme sie all ihren Mut zusammen, um überhaupt weitererzählen zu können.
    »Er wohnte allein – seine Eltern waren weit weg –, was ihn viel älter und reifer erscheinen ließ. Ich hatte mich so an die schlampigen Jungs der späten Achtziger und frühen Neunziger gewöhnt, mit ihren tief sitzenden weiten Hosen, den hängenden Schultern und der nachlässigen Art, mit der sie uns Mädchen behandelten. Als ich dann Henry an diesem ersten Tag im Kurs kennenlernte, stand er aufrecht da, war gut angezogen und nahm tatsächlich seine Mütze ab, als er sich mir vorstellte – ganz wie ein Gentleman. Ich war auf der Stelle Feuer und Flamme.«
    Im Verlauf des Kurses verliebte sich Marion in den Ausdruck völliger Konzentration, mit dem Henry einen Druck studierte, in die Art, wie er die Schönheit und Einzigartigkeit von Objekten und Schauplätzen zu erkennen vermochte, denen sonst niemand Beachtung schenkte. Er betrachtete die Welt auf eine ganz eigene Weise, die Marion zu ihm hinzog, als wäre er ein Magnet.
    »Ich wollte ihn unbedingt kennenlernen, also habe ich mir eines Tages ein Herz gefaßt und mich im Unterricht neben ihn zu setzen. Und weißt du, das war genau der Tag, an dem der Lehrer uns Gruppenarbeit machen ließ « , hatte Marion ihrer Tochter mit leicht zittriger und ungewohnt dunkler Stimme erzählt. »Nach der Hälfte des Unterrichts war mir irgendwie klar, dass er genauso begeistert von mir war wie ich von ihm. Er bat mich um meine Telefonnummer, und am
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