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Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Titel: Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
Autoren: Christoph Kappel
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Donizettis »Lucia di Lammermoor« unter Umständen nicht unähnlich. Die Katze gerät in Nöte, da ihr ihre ausgeprägte Reinlichkeit im Wege steht und sie sich keinesfalls ohne Katzentoilette erleichtern will. Deshalb biete ich meinen Akteuren diesen Service selbstverständlich an, und bei dem, was uns diesmal bevorstand, mit jeder Menge Katzenstreu bestückt.
    Die Macher von »Bibi Blocksberg« hatten sich so einiges einfallen lassen, was die Auswahl der Drehorte betrifft. An einem heißen Spätsommertag wurde bei Außentemperaturen von achtundzwanzig Grad in der berühmten Eishöhle am Dachstein gedreht, bei gerade mal zwei Grad. In der Talstation traf sich dazu das ganze Filmteam mit der kompletten Ausrüstung. Ab in die Gondel, hieß es für alle und alles. Ich weiß nicht mehr, wie viele Gondeln wir benötigten, um die ganze Entourage zur Mittelstation zu schaffen. Diese Aktion war an diesem Tag eine Premiere für meine Katzendarsteller, und die Tiere meisterten die Fahrt mit diesem ungewohnten Verkehrsmittel problemlos. Ganz im Gegensatz zu meiner unglaublich mutigen Mitarbeiterin, die aus Höhenangst am Boden der Gondel kauerte und sich eine Jacke über den Kopf gezogen hatte, um ja nichts von dem Schrecken um sich her mitzubekommen. Manchmal muss ich eben auch zum Menschentrainer werden: Ich beschäftigte Anna in den Drehtagen intensiv, immer wieder musste sie dabei wie zufällig die Gondel benutzen – und durch das große Verantwortungsgefühl für die Tiere, darin ist Anna nämlich super, »vergaß« sie ihre Höhenangst zeitweise völlig. Von der Station aus mussten wir bis zum Eingang der Eishöhle noch etwa dreißig Minuten steil bergauf gehen, einen sehr schmalen Saumpfad am Abgrund entlang. Der Aufstieg war extrem beschwerlich, da alle notwendigen Ausrüstungsgegenstände auf den männlichen und weiblichen Rücken des
Teams geschleppt werden mussten . Unser Anblick erinnerte an eine Himalaja-Expedition, allerdings ohne Packesel. Um einen normalen Drehtag dort oben zu realisieren, werden Kameras, Schienen, Licht für mehr als eintausend Quadratmeter Eishöhle, Tonausrüstung, Kostüme, all die Utensilien für die Maske, die Ausstattung, das Catering … und last but not least auch die vierbeinigen Hauptdarsteller benötigt. Meine Samtpfoten überstanden diesen Anmarsch in ihren Transportkörben bestens. Ich versuchte, wie ein Indianer auf dem Kriegspfad zu laufen, um die Körbe möglichst ruhig zu halten. Dies trieb mir schon vor Drehbeginn den Schweiß auf die Stirn.
    Der Drehort Höhle, eine bizarre Winterlandschaft im ewigen Eis, ließ uns den Sommer draußen vergessen. Die Scheinwerfer verwandelten die schummrige Eishöhle in eine funkelnde Glitzerwelt, eine Illusion, wie sie nur der Film erschaffen kann. Die Tropfsteine wurden zu Kronleuchtern und der eisige Boden zum mit Diamanten überzogenen Parkett. Fantasy satt! Für die Katzen war das natürlich eine höchst ungewohnte Atmosphäre. Ein zusätzlicher Schwierigkeitsgrad waren die Höhenmeter. Welch fremdes, eigenartiges Gefühl muss es sein, den Ohrdruck zu spüren und über lange Zeit nicht mehr loszuwerden. Wir kennen das alle aus dem Flugzeug, aber wir können Kaugummi kauen. Ich habe noch keine Katze gesehen, geschweige denn trainiert, die sich lässig einen Spearmint gönnt, wenn ihr die Ohren wehtun. Zu all diesen Hürden kam in der Höhle noch die Kälte hinzu. Auch wenn der tierische Darsteller mit seinem dicken, zotteligen Fell vor den sibirischen Temperaturen geschützt ist, spürt er den »Klimawandel« von draußen nach drinnen an Ohren, Kopf und Beinen sehr wohl. Für mein Gefühl war der Eintritt in die Eishöhle wie das Eintauchen aus einem heißen Sommertag in eine Kühltruhe. Die Königsdisziplin des Filmtiertrainings kam unaufhaltsam
auf mich zu: das trainierte Pensum bei den Katzen perfekt abzurufen. Im Gegensatz zu Hunden entscheiden Katzen ohne uns zu fragen, ganz allein, ob ihnen die Situation angemessen erscheint, ordentlich arbeiten zu wollen oder nicht. In solch schwierigen Momenten mache ich meine Katzen zu Diven, Prinzen und Prinzessinnen, ich hofiere sie und vermittle ihnen den Eindruck, dass hier und heute ihre Wünsche meine Befehle sind. So tue ich alles, um sie gnädig zu stimmen, ihre Rolle bestmöglich zu spielen. Dass ich den Knopf für ihr Such- und Spielverhalten damit einschalte und den für Angst, Panik oder Ausflippen ausschalte, müssen sie ja nicht erfahren.
    Das wilde Treiben des Teams in der Höhle
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