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Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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war das beste Stück. Nicht so wie heute. Wir hatten keine Kühlschränke, aber wir hatten Milch und Käse. Wir hatten nicht alle Gemüsesorten, aber wir hatten genug. Was ihr heute alles habt und als selbstverständlich voraussetzt … Aber wir waren glücklich. Wir wussten es nicht besser. Und auch wir setzten das, was wir hatten, als selbstverständlich voraus.
    Dann wurde alles anders. Der Krieg war die Hölle auf Erden, ich hatte nichts. Ich verließ meine Familie. Ich bin immer gerannt, Tag und Nacht, weil die Deutschen mir immer auf den Fersen waren. Wenn man stehen blieb, war man tot. Es gab nie genug zu essen. Ich wurde immer kränker vom Nichtessen. Ich war nur noch Haut und Knochen und hatte überall am Körper Wunden. Ich konnte mich kaum noch bewegen. Es machte mir nichts aus, aus Mülltonnen zu essen. Ich aß das, was andere übrig gelassen hatten. Wenn man sich selbst half, konnte man überleben. Ich nahm, was ich finden konnte. Ich aß Sachen, die ich dir lieber nicht beschreibe.
    Selbst in den schlimmsten Zeiten traf ich auch gute Menschen. Jemand gab mir den Tipp, meine Hosen unten zuzubinden, um die Hosenbeine mit möglichst vielen gestohlenen Kartoffeln zu füllen. Damit lief ich Kilometer um Kilometer, man wusste ja nie, wann man wieder Glück hatte. Einmal schenkte mir jemand ein bisschen Reis, und ich war zwei Tage zu einem Markt unterwegs und tauschte den Reis gegen etwas Suppe, dann ging ich zu einem anderen Markt und tauschte die Suppe gegen ein paar Bohnen. Man musste Glück haben und erfinderisch sein.
    Am schlimmsten war es gegen Kriegsende. Viele Menschen starben noch am Ende, und ich wusste nicht, ob ich noch einen Tag überleben konnte. Ein Bauer, ein Russe, Gott schütze ihn, sah, wie es um mich bestellt war, ging in sein Haus und kam mit einem Stück Fleisch für mich zurück.«
    »Er hat dir das Leben gerettet.«
    »Ich habe es nicht gegessen.«
    »Du hast es nicht gegessen?«
    »Es war Schwein. Ich würde nie Schwein essen.«
    »Warum nicht?«
    »Was meinst du wohl, warum nicht?«
    »Doch nicht, weil es nicht koscher war?«
    »Natürlich.«
    »Auch nicht, um dein Leben zu retten?«
    »Wenn nichts mehr wichtig ist, gibt es nichts zu retten.«

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Alles oder nichts oder etwas anderes
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1.
George
    DIE ERSTEN 26 JAHRE meines Lebens mochte ich keine Tiere. Ich fand sie lästig, schmutzig, vollkommen unzugänglich, furchtbar unberechenbar, schlicht und ergreifend überflüssig. Vor allem für Hunde konnte ich mich nicht erwärmen, was größtenteils auf eine Angst zurückzuführen war, die ich von meiner Mutter geerbt hatte und sie von meiner Großmutter. Als Kind ging ich nur zu Freunden, wenn sie ihre Hunde wegsperrten. Wenn mir im Park ein Hund näher kam, wurde ich so hysterisch, dass mich mein Vater auf die Schultern hob. Ich sah mir nicht gerne Fernsehfilme an, in denen Hunde vorkamen. Ich konnte Leute nicht verstehen –ich mochte sie nicht–, die sich für Hunde begeisterten. Vielleicht hatte ich sogar ein unterschwelliges Vorurteil gegen Blinde.
    Und dann wurde ich eines Tages jemand, der Hunde liebte. Ich wurde ein Hunde-Typ.
    George kam im Grunde aus dem Nichts. Meine Frau und ich hatten nicht darüber nachgedacht, einen Hund anzuschaffen, geschweige denn, uns nach einem umzusehen. (Warum sollten wir? Ich mochte keine Hunde.) Der erste Tag vom Anfang meines neuen Lebens war ein Samstag. Wir gingen in Brooklyn, wo wir wohnten, die Seventh Avenue entlang und stießen auf einen winzigen schwarzen Welpen. Wie ein Fragezeichen lager schlafend am Bordstein, in seine Adoptier-mich-Weste eingerollt. Ich glaube nicht an Liebe auf den ersten Blick oder an Schicksal, aber ich liebte diesen verdammten Hund sofort, es sollte einfach so sein. Auch wenn ich ihn nicht anfassen mochte.
    Der Vorschlag, den Welpen mitzunehmen, war vielleicht das Unvorhersehbarste, was jemals von mir kam. Aber diesem wunderschönen kleinen Tier konnte selbst ich als hartherziger Hundeskeptiker nicht widerstehen. Natürlich kann man auch etwas anderes als feuchte Schnauzen schön finden. Aber sich in Tiere zu verlieben ist etwas ganz Besonderes. Alle haben sie ihre ergebenen Fans: riesige Hunde und klitzekleine Hunde und langhaarige und seidig glänzende Hunde, schnarchende Bernhardiner, asthmatische Möpse, faltige Shar-Peis und melancholisch dreinblickende Bassets. Vogelfreunde
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