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Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Titel: Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall
Autoren: Roman Rausch
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unterschied ihn nicht sonderlich von den Kollegen vor ihm. Sein Aussehen war zweitrangig. An erster Stelle, und das ließ er jeden möglichen Zweifler wissen, stand der Umstand, dass er Oberbayer war. Gebürtiger und stolzer Sohn eines Ortsvorstandes aus Oberpframmern, südwestlich seines Shangrilas gelegen – München, Hauptstadt und Ziel seines Strebens.
    Oberhammer kämpfte derweil nicht nur mit seiner Rede, die seine Sekretärin Uschi fein säuberlich auf zwölf Seiten getippt hatte, sondern auch mit der Wahl des richtigen Tons. Sein polternder oberbayerischer Dialekt stand im Gegensatz zum verschmitzt heiteren, nicht immer leicht verständlichen Mainfränkischen.
    An seiner Seite stand entspannt der Ehrengast des Abends, der scheidende Kriminalhauptkommissar Erwin Schömig. Geduldig ließ er die Erinnerungen an seinen Dienst als Leiter des K1, des Kommissariats für Tötungsdelikte und Sexual- und Brandsachen mit Todesfolge, über sich ergehen. Wie sehr hatte er den heutigen Tag seit dem Amtsantritt Oberhammers herbeigesehnt. Schömig konnte sich beim Anblick des um jedes Wort ringenden Oberhammer ein Schmunzeln nicht verkneifen.
    »Kriminalhauptkommissar Schömig«, sprach Oberhammer eindringlich und mit einer unüberhörbaren Drohung ausgestattet, »hat sich nie mit der einfachsten Lösung zufrieden gegeben. Es woar sei …, na ja, auch sei Verdienst«, verbesserte er sich, »dass euer …«, er räusperte sich auffällig laut und nachhaltig, um den vermeintlichen Versprecher zu überspielen, »dass unser Würzburg in derer Kriminalstatistik unseres ehrwürdigen Freistaates so guat dasteht.«
    Um seine Aussage zu untermauern, kramte Oberhammer im Bündel der verknitterten Schreibmaschinenseiten nach der Statistik und wippte unruhig, als er sie auf Anhieb nicht finden konnte. Aus dem Hintergrund trat eilends Uschi hervor, um ihn auf die richtige Spur zu bringen.
    »Wenn ihn doch endlich mol der Schlag treff dät«, zischte Heinlein an die Schulter seines Kollegen.
    »Dafür würd i gladd a Sau schlacht«, kam es prompt zurück. Heinleins Kopf schoss zur Seite. »Werkli?«
    Uschi und Oberhammer fieselten inzwischen die Seiten auseinander, doch die kriminalistische Hitliste des Freistaates blieb unauffindbar.
    Schömig machte nicht im geringsten Anstalten, seinem Vorgesetzten und Erzfeind aus der Klemme zu helfen. Er stand einfach da und genoss. Dabei stützte er sich auf einen Gehstock, den er seit zwei Jahren immer öfter brauchte und in den letzten Monaten einfach nicht mehr versteckt halten konnte.
    Seinem Kollegen und eigentlichen Nachfolger Kriminaloberkommissar Georg Heinlein hatte er es zu verdanken, dass die Gehhilfe nicht schon weit früher aufgefallen war. Heinlein hatte ihm den Rücken freigehalten. Die gefährlichen Einsätze, bei denen es um Sekunden ging und körperliche Fitness über Kopf und Kragen entschied, hatte sein Freund Schorsch geleitet. Das rettete Schömig die karge Rente und den letzten Rest Ehre für eine bedeutungslose Zukunft.
    »Zweiundvierzig Dienstjahre. Und, was hat er jetzt davon?«, raunte es an Schorsch Heinleins Schulter.
    »Mageng’schwür, zerschossene Knie und ’ne G’schiedene«, antwortete Heinlein. »Aber er hat’s wenigstens hinter sich.«
    Heinlein schaute sich noch einmal an, wie sich Schömig nur mühselig auf den Beinen hielt. Ob es ihm auch mal so ergehen würde? Wann würde ihn die Kugel treffen? Würde er überhaupt so lange durchhalten? Mit Mitte dreißig gewannen diese Fragen an Bedeutung.
    Schömig hatte ihn vor acht Jahren aus dem Streifenwagen in seine Abteilung geholt und ihm alles beigebracht, was er als Kriminaler wissen musste – Spuren auswerten, taktisches Verhalten bei den Ermittlungen, Umgang mit Staatsanwaltschaften und Richtern. Und mehr als alles andere: wie man Oberhammer aus dem Weg gehen konnte. Wenn es nach dem feisten Oberbayern gegangen wäre, würde Heinlein immer noch mit Blaulicht um die Häuser fahren und sich von besoffenen Randalierern voll kotzen lassen. Er war für Oberhammer ein rotes Tuch. Ein Eisenbahnerbub, der nichts in seinem Kommissariat zu suchen hatte. Dort wollte er nur Spürhunde mit Format, wie er sich ausdrückte. Ermittler, die Erfolge einfuhren. Aufklärungsrate, Statistik, zero tolerance. Das war die Voraussetzung für eine glorreiche Rückkehr Oberhammers ins Münchner Präsidium. Heinlein, ein Franke, konnte in den Augen des Oberbayern dafür nicht taugen.
    Oberhammer hatte inzwischen die Suche nach dem
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