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Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)

Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)

Titel: Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
Autoren: Dani Aquitaine
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Händen gehalten? Hat es ihm etwas bedeutet?
    Der Rand des Anhängers wies rundum eine leichte Einkerbung auf, so als ob man ihn wie ein Medaillon hätte öffnen können müssen, aber es gelang mir nicht, ihn aufzuklappen. Ich war zu ungeduldig und gleichzeitig zu erschöpft und schließlich gab ich auf. Vielleicht war die Kante tatsächlich nur ein Zierelement.
    Mit zitternden Händen hängte ich mir die Kette um und stand wieder auf. Wie betäubt ging ich in den Flur und schob die hölzerne Schuhkommode vor die aufgebrochene Haustür, damit der Wind sie nicht aufblasen konnte. Dann hob ich meine Umhängetasche auf, wo ich sie zusammen mit meinem Einkaufsbeutel hatte fallen lassen. Im Schein der Kerze blickte ich kurz hinein und blieb gedanklich wieder hängen.
    Dinge. Einfache Dinge, die ich verstand. Im Gegensatz dazu, was heute Nachmittag geschehen war. Ich sah die einfachen Dinge ganz genau an, um nicht darüber nachdenken zu müssen, dass mir heute niemand gute Nacht sagen würde. Er hatte mir immer gute Nacht gesagt. Jeden Abend. Seit ich denken konnte. Wenn ich abends mit Freunden unterwegs gewesen war, war er wach geblieben, bis ich nach Hause gekommen war. Wenn ich im Schullandheim oder mit dem Sportverein unterwegs gewesen war, hatte er mich abends auf meinem EazFone angerufen, um mir eine gute Nacht zu wünschen. Er war immer da gewesen, immer, immer–
    Dinge. Verschwommen starre ich mein Taschenmesser, meine Streichhölzer und meine Schütteltaschenlampe an, Sachen, ohne die ich das Haus inzwischen nicht mehr verließ. Außerdem Wasseraufbereitungstabletten, die ich heute nicht hatte tauschen können. Und die Ware, die ich erworben hatte: Eine Dose Mais. Ein Säckchen schwarzer Pfeffer, aufgeplatzt vom Aufprall auf den Boden. Eine Familienpackung Müsliriegel, die mir Verne in der Stadtteilbücherei als besonders günstiges Sonderangebot aufgeschwatzt hatte.
    Sie war zu einem der zahlreichen Schwarzmärkte Citeys geworden. Nicht, dass es noch andere, legale Märkte gegeben hätte, seit der Verfall uns so massiv in die Knie gezwungen hatte. Nicht, dass es überhaupt noch irgendwas gegeben hätte. Wer nichts besaß, das er gegen Lebensmittel tauschen konnte, war allein von den sporadischen, immer geringer ausfallenden Rationen abhängig, die die versprengten Truppen der verbliebenen Hilfsorganisationen heranschaffen konnten. Oder wurde zum Dieb. Zum Marodeur. Zum Mörder.
    Ich atmete durch. Blinzelte die Tränen weg. Hängte mir die Tasche um und wollte mich gerade nach oben in mein Zimmer schleppen, als ich draußen plötzlich Männerstimmen hörte, die sich näherten.
     
    Ich erstarrte und lauschte. Jetzt waren sie so nah, dass ich einzelne Sätze verstehen konnte.
    „Ich hatte dir gesagt, dass es sich lohnt, abzuwarten“, sagte einer.
    „Halt's Maul“, sagte ein anderer leiser.
    „Ich wusste, dass der Typ da nicht allein wohnt … viel zu viel Weiberkram überall.“ Das war wieder der Erste.
    Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Was ich gehört hatte, ließ nur einen Schluss zu und ich handelte instinktiv: Ich blies die Kerze aus und rannte geduckt am Fenster vorbei, damit man mich durch die unverbarrikadierten, lediglich vergitterten Scheiben von draußen nicht sehen konnte. Im Wohnzimmer versuchte ich mich kopflos und ohne Erfolg zu erinnern, wo in dem Chaos etwas lag, das ich als Waffe gegen die Männer nutzen konnte.
    „Jep, du hattest wie immer recht“, lobte eine dritte, heisere Stimme sarkastisch. „Und jetzt halt's Maul.“
    „Das Licht ist wieder aus“, sagte der Zweite und sie senkten ihre Stimmen, sodass ich nur noch Geflüster und leise Schritte hören konnte.
    Ich lief weiter zur Küche, riss eine der Schubladen auf und begann, sie panisch nach einem Messer zu durchsuchen. Dabei versuchte ich gar nicht mehr, leise zu sein. Die wussten sowieso, dass jemand da war. Deswegen waren sie zurückgekommen. Aber warum? Was wollten sie von mir? War es doch kein Zufall gewesen, dass sie genau hier eingebrochen waren und meinen Vater getötet hatten? Wir hatten doch niemandem etwas getan …
    Das alles ging mir im Schnellvorlauf durch den Kopf; ich konnte gerade überhaupt keinen Sinn in all dem sehen. Meine Hände zitterten so, dass ich mich schnitt, als ich endlich ein großes Brotmesser ertastet hatte. Im Flur rumpelte es. Vermutlich versuchten die Typen im Augenblick, die Haustür aufzustemmen. Ich hetzte durch das verwüstete Wohnzimmer, stolperte über zerstörtes Mobiliar und Bücher
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