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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder
Autoren: O'Brien Caragh
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Nachricht lag immer noch auf dem Tisch neben der Kerze. Sie sah sich in dem kleinen Zimmer um und spürte den kalten Hauch der Angst, der sich über die gewohnte heimische Wärme gelegt hatte. Die Stoffballen, die Körbe mit Nähzeug, das Schachspiel, die Kochtöpfe, das halbe Dutzend Bücher ihrer Mutter, selbst das Banjo ihres Vaters auf dem Regal waren in Unordnung gebracht, als ob alles systematisch durchsucht worden wäre. Sergeant Grey wusste nur zu gut, weshalb ihre Mutter nicht gekommen war.
    »Also bist du allein gegangen?«, fragte er.
    »Ein Junge kam zu mir und sagte, es sei dringend«, sagte sie. Sie trat ans Feuer, nahm einen Schürhaken und bewegte die Kohlen. Solange er sich nicht anschickte, sie zu verhaften, konnte sie ebenso gut so tun, als ob sie nur eine harmlose Unterhaltung führten. Sie griff nach einem Holzscheit, als er die Hand nach ihr ausstreckte.
    »Wenn du erlaubst«, sagte er.
    Sie trat ein kleines Stück zur Seite, als er zwei Scheite auf das Feuer warf und ein Funkenregen den Raum mit dem Versprechen neuer Wärme erfüllte. Gaia nahm ihr Tuch ab und legte es neben ihre Tasche. Zu ihrer Überraschung hob der Soldat sein Gewehr von der Schulter, zwang seinen Kopf unter dem Riemen hindurch und lehnte es an den Kamin. Es sah beinahe so aus, als machte er es sich gemütlich, als siegte eine angeborene Höflichkeit über seine Ausbildung. Oder er versuchte sie ganz bewusst zu manipulieren, damit sie sich entspannte.
    »Du hast gesagt, du bist allein gegangen?«, fragte er. »Du hast nicht die Assistentin deiner Mutter mitgenommen?«
    Sie sah zu ihm auf und bemerkte seine gerade Nase und seinen ordentlichen Militärschnitt. Sein braunes Haar war hinten ganz kurz und über der Stirn ein wenig länger. Obwohl sie seine Augen im Halbdunkel des Raums nicht richtig sehen konnte, ahnte sie doch eine Leere darin, die zur Beherrschtheit der übrigen Züge passte. Er jagte ihr kalte Angst ein.
    »Die alte Meg?«, fragte sie. »Nein. War sie denn nicht bei meiner Mutter?«
    Er gab keine Antwort. Gaia runzelte die Stirn und trat näher an ihn heran, weil sie seine Augen und die Härte darin sehen wollte, die seinen freundlichen Tonfall und seine gepflegten Umgangsformen Lügen strafte. »Weshalb seid Ihr hier?«, fragte sie.
    Ohne ein Wort ging er zum Kaminsims und nahm etwas in die Hand, das wie ein kleines Heft oder Büchlein aussah. Mit einer leichten Drehung warf er es auf den Tisch. Nur mit Mühe konnte sie im Kerzenschein den Titel lesen.

    »Hast du das schon einmal gesehen?«, fragte er.
    Sie hatte keine Ahnung, was es war. »Nein.« Sie nahm das Heft in die Hand und schlug die erste Seite auf. Dort sah sie eine Liste mit Namen.

    Es ging noch mehrere Seiten so weiter, und auf den ersten Blick war ihr keiner der Namen geläufig. Die Seiten waren völlig von kleinen Nadelstichen durchlöchert. Sie schüttelte den Kopf.
    »Du hast deine Mutter nie damit gesehen? Deinen Vater?«, fragte er.
    »Nein. Ich habe es noch nie gesehen. Wo habt Ihr das Heft her? Es sieht aus wie etwas aus der Enklave.«
    »Es lag ganz unten im Nähkästchen deines Vaters.«
    Sie zuckte die Achseln und warf es zurück auf den Tisch. »Das ergibt Sinn. Er hebt alle möglichen seltsamen Papiere auf, um seine Nadeln hineinzustechen.«
    »Was für Papiere denn noch?«, fragte Sergeant Grey. Sie sah ihn ratlos an. »Habt Ihr ihn das denn nicht selbst gefragt?«
    Er nahm das Heft und ließ es in seine Jackentasche gleiten.
    »Ich muss wissen, ob deine Mutter dir kürzlich irgendetwas gegeben hat – eine Liste oder ein Notizheft, oder eine Art Kalender.«
    Automatisch sah Gaia hinüber zu dem Kalender, der in der Küche neben dem Fenster zum Garten hing. Sie vermerkten darauf, wann die Kleiderbestellungen ihres Vaters fällig waren, wann sie mit Freunden am Tvaltar verabredet waren und wann eine der Junghennen ihr erstes Ei gelegt hatte. Auch die Familiengeburtstage waren eingetragen, die ihrer beiden Brüder eingeschlossen. Erst da fiel ihr das Päckchen wieder ein, das sie an ihrem Bein trug. Gaias Herz tat einen Sprung. Was, wenn er sie nun durchsuchte und es fand? Sie studierte sein markantes, ebenmäßiges Gesicht und seine festen, farblosen Lippen und fragte sich, ob er ihr glauben würde.
    »Es gibt den Kalender dort drüben«, sagte sie und zeigte hinüber.
    »Nein. Etwas anderes. Eine Liste vielleicht.«
    »Alles, was sie mir gegeben hat, ist in meiner Tasche«, sagte sie. »Es gibt keine Liste.«
    »Darf ich?«,
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