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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder
Autoren: O'Brien Caragh
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Doch Leon hielt Gaia als Schutzschild vor sich und näherte sich weiter dem Tor.
    »Lass sie einfach gehen«, sagte Sergeant Lanchester mit betont ruhiger Stimme. »Sie hat dir nie etwas getan. Lass sie einfach gehen, und wir reden über alles.«
    »Keinen Schritt weiter«, sagte Leon. »Weg mit der Waffe.«
    Doch Sergeant Lanchester kam immer näher, sein Gewehr auf sie gerichtet. Gaia konnte in das Dunkel des Laufs sehen.
    »Nicht schießen!«, flehte sie. Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie glaubte nicht, dass sie den Schmerz in ihrer Schulter noch länger ertragen konnte, über kurz oder lang würde sich ihr Griff um die Tüte lösen, aber unbeirrt stieß Leon sie auf das Tor zu.
    »Bitte, Leon«, flüsterte sie. »Du tust …«
    »Lass sie gehen!«, sagte Lanchester wieder.
    Sie spürte, wie Leons Griff ein winziges bisschen nachließ, öffnete die Augen und stellte erstaunt fest, dass sie den Durchgang erreicht hatten. Sie waren schon so gut wie durch das Tor getreten. So gut wie frei! Er hielt sie noch immer gepackt, seine Wange an ihrem Ohr, sein Messer an ihrer Kehle, doch für einen unmöglich langen Moment loderte ihre Hoffnung ebenso hell wie ihr Schmerz.
    »Lauf«, sagte Leon sanft.
    Sie verstand nicht.
    Er stieß sie von sich, und sie stolperte aus der Enklave. Sie rannte ein halbes Dutzend Schritte, ehe sie begriff, dass er nicht bei ihr war. Sie drehte sich um und sah, wie er versuchte, das Tor zuzuziehen. Er selbst auf der anderen Seite.
    »Nein!«, rief Gaia. »Leon!« Sie stolperte zurück zum Tor, doch durch den sich schließenden Spalt sah sie, wie ein Gewehrkolben hart auf Leons Hinterkopf traf. Leon fiel. Einen endlosen, zeitlosen Augenblick lang konnte Gaia überhaupt nicht denken, dann wandte sie sich von den Lichtern und der Mauer ab. Sie drückte die aufgerissene Tüte mit ihrer kleinen Schwester an ihre Brust und rannte blindlings davon.

28
    Rechtmäßiger Besitz
    Wütende Stimmen riefen vom Wehrgang hinter ihr her. Gaia stolperte in eine Menschenmenge. Auch hier rief man und griff nach ihr, doch sie riss sich los und lief weiter. Überall in den Straßen waren Menschen. Sie saßen nebeneinander auf dem Bordstein oder auf Schemeln, die sie vor die Häuser gestellt hatten. Sie fiel fast über eine Gruppe von Kindern, und die Eltern der Kinder schrien sie ebenfalls an. Es war bizarr, surreal, und sie hatte nicht die Zeit, sich einen Reim darauf zu machen. Alles, was sie tun konnte, war, sich im Dunkeln zu halten, alle Lichter zu meiden, die sie an das Überwachungssystem verraten würden, und so schnell wie möglich zu laufen. Ihr linker Arm war taub vor Schmerz, und ein schrilles Kreischen in ihrem Inneren drängte alle Gedanken aus der Bahn, wieder und wieder sah sie Leon, wie er fiel – bewusstlos oder tot.
    »Er kann nicht tot sein«, flüsterte sie.
    Sie hielt an, um Atem zu schöpfen, und stützte sich an einem Gebäude ab. Ein Licht explodierte am Himmel, und ein lautes Platzen ließ sie zusammenzucken. Die Menge um sie herum brach in ein befriedigtes »Ooh!« aus. Sie drehte sich erstaunt um und sah zurück zur Enklave, wo sich im nebligen Himmel über dem Turm ein Feuerwerkskörper auflöste. Als noch eine zweite Rakete explodierte, begriff sie endlich, was vor sich ging: Die Feier zu Evelyns Geburtstag war ohne Unterbrechung vorangeschritten, selbst während sie und Leon um ihr Leben gelaufen waren.
    Sie sah sich um, versuchte sich zu orientieren, und erkannte, dass ihre Füße sie in den zweiten östlichen Sektor getragen hatten, in die Nähe des Heims ihrer alten Freundin Emily. Die schwere, feuchte Luft roch nach Holzrauch. Während weitere Feuerwerkskörper mit lautem Donnern am Himmel detonierten, machte sie einen Schlenker nach links und lief zwei Straßen hinab ans Ende einer Häuserzeile. Sie klopfte an Emilys und Kyles Tür und rang nach Atem.
    Als die Tür sich öffnete, fiel sie praktisch hinein. Starke Hände fingen sie auf, und eine neue Welle des Schmerzes schoss durch ihre Schulter.
    »Gaia Stone!«, rief Kyle erstaunt. »Emily! Komm schnell her.« Behutsam führte Kyle sie zu einer Bank am Feuer. Emily kam mit großen Augen aus dem Hinterzimmer gelaufen. Kyle schloss die Tür, und der Donner der Raketen blieb zurück.
    »Gaia!«, rief Emily aus. »Was ist mit dir passiert?«
    Hastig schlug Gaia die Tüte in ihren Armen zurück, um nach ihrer Schwester zu sehen. Das Baby hatte die Augen geöffnet, war ansonsten aber ruhig. Gaia hob es hoch, den
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