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The Cutting

The Cutting

Titel: The Cutting
Autoren: James Hayman
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waren Morde in der Regel Beziehungstaten – Männer töteten ihre Frauen, Freunde brachten Freunde um. In der Hälfte der Fälle riefen sie selbst die Polizei, nachdem ihnen klar geworden war, was sie da getan hatten. Aber das hier war etwas anderes. Das hier trug den Stempel der willkürlichen, anonymen Brutalität der Großstadt, und McCabe gab sich einen Augenblick lang der Trauer über eine Welt hin, in der ein menschliches Wesen einem anderen so etwas antun konnte, besonders einem Teenager. Dann schob er alle diese Gedanken beiseite und überließ dem Polizistenteil seines Gehirns das Kommando. Er untersuchte die Leiche, untersuchte den Boden, auf dem das Mädchen lag, suchte nach Anhaltspunkten, die er möglicherweise übersehen hatte. Nach irgendeinem Indiz, das ihm bei der Beantwortung der Frage, was mit Katie Dubois geschehen und wer dafür verantwortlich war, weiterhelfen konnte. Rund um ihren Mund entdeckte er Reste von Klebeband und an den Handgelenken, den Fußknöcheln und am Hals Fesselspuren. In ihren trüben Augen waren keine punktförmigen Blutergüsse zu sehen, also war sie vermutlich nicht erdrosselt worden, sondern an den Folgen der Misshandlungen gestorben.
    Während er hier auf dieser Müllkippe in Portland, Maine, stand, wurde McCabe mit einem Mal von dem Gefühl überwältigt, wieder zurück in New York zu sein. Es fühlte sich nicht an wie eine bloße Vorstellung oder eine Erinnerung. Es war, als wäre er wirklich da. Er konnte den Lärm der Stadt hören. Konnte den Gestank riechen. Hundert blutverschmierte Leichen zogen vor seinem inneren Auge vorbei. Seine rechte Hand suchte Trost an seinem Pistolengriff. Mike McCabe war wieder einmal auf der Jagd. Er wusste mit absoluter Gewissheit, dass das seine Berufung war. Dass er genau hierhin gehörte, unter die Mörder und die Ermordeten. Ganz egal, wie weit er rannte, ganz egal, wie gut er sich versteckte, er würde niemals der Gewalt oder der Faszination, die sie auf ihn ausübte, entkommen.
    McCabe trat von Katies Leichnam zurück und achtete sorgfältig darauf, nicht über Maggie zu stolpern, die ein Stück hinter ihm auf dem Boden hockte und sich Notizen machte. Er ging zu dem Streifenpolizisten, der die Leiche entdeckt hatte, Kevin Comisky. »Kevin«, sagte er leise. »Was wissen wir?«
    »Nicht viel. Ich war auf Streife unterwegs. Ein eher ruhiger Abend. Als ich vom Marginal Way in die Franklin Street einbiege, kommt dieser Besoffene auf mich zugerannt und wedelt wie verrückt mit den Armen. Er schreit irgendwas von einem Mord, aber alles ziemlich durcheinander, also verfrachte ich ihn in meinen Streifenwagen, den er mir, das nur nebenbei, ziemlich übel vollgestunken hat. Dann sage ich zu ihm, dass er mir alles erzählen soll, was er gesehen hat. Irgendwie gelingt es ihm, mich hierherzulotsen. Ich sehe die Leiche, verständige die Funkzentrale, und die schicken mir Kennerly zur Verstärkung. Danach haben sie euch angerufen.«
    McCabe rief mit dem Handy die Polizeizentrale in der Middle Street 109 an. Zwei Kriminaltechniker hatten Bereitschaft. Er beorderte sie unverzüglich auf die Müllkippe. Dann rief er die stellvertretende Gerichtsmedizinerin Terri Mirabito an. Portland mit seinen etwas mehr als 65 000 Einwohnern war zu klein für eine eigene Gerichtsmedizin. Normalerweise musste der zuständige Gerichtsmediziner vom Kriminaltechnischen Zentrallabor des Bundesstaates Maine in Augusta hergeholt werden – über eine Stunde Fahrt –, aber Terri Mirabito wohnte in Portland. Wenn sie zu Hause war, dann konnte sie sehr viel schneller vor Ort sein. Sie nahm beim ersten Klingeln ab und sagte, sie würde sich sofort auf den Weg machen.
    »Wo ist denn der Betrunkene jetzt?«, wollte er von Comisky wissen.
    »Immer noch im Streifenwagen«, erwiderte der Streifenpolizist. »Ein paar Papiertücher und ein Spritzer Desinfektionsmittel werden wohl nicht reichen, um diesen Gestank wieder loszuwerden.«
    »Hat jemand von euch hier irgendetwas angefasst oder die Leiche bewegt?«, wandte McCabe sich an die beiden Beamten.
    Sie verneinten. Einer sagte: »Ist ja schon hart genug, sie bloß anzuschauen.«
    »Okay. Ich werde mich mal ein bisschen umschauen. Mal sehen, was ich finde. Anschließend möchte ich mich mit unserem Freund im Wagen unterhalten, also sorgt bitte dafür, dass er nicht abhaut.«
    Dann wandte er sich an Maggie. »Wo stecken denn Tasco und Fraser? Ich dachte, das hier sei ihr Fall.« Ihm war klar, dass er gereizt klang, aber scheiß
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