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Teufelsstern

Teufelsstern

Titel: Teufelsstern
Autoren: Anthony Horowitz
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die Nachbarn wirklich zum Tratschen veranlasst hatte, war die Tatsache, dass sie sechs Jahre zuvor einen achtjährigen Jungen bei sich aufgenommen hatte. Und dabei waren sich die Nachbarn einig, dass Gwenda und Brian keine idealen Eltern sein konnten. Brian trank. Und die beiden stritten sich dauernd. Und wenn man der Gerüchteküche glauben konnte, kannten die beiden den Jungen kaum, dessen Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren.
    Da wunderte es niemanden, dass die ganze Sache schief ging. Der Junge konnte eigentlich nichts dafür. Matthew Freeman war ein nettes Kind gewesen, dem stimmte jeder zu, aber schon vom ersten Moment an hatte es nur Ärger mit ihm gegeben. Er hatte die Schule geschwänzt. Er hatte sich die falschen Freunde gesucht. Er hatte kleinere Straftaten begangen und war dann natürlich irgendwann von der Polizei aufgegriffen worden. Und schließlich kam es zu diesem Einbruch in ein Lagerhaus in der Nähe vom Bahnhof Ipswich. Der Wachmann war fast gestorben, und Matthew war mit dessen Blut an den Händen am Tatort erwischt worden. Danach hatten sie ihn in irgendein Erziehungsprogramm gesteckt, und jetzt lebte er bei einer Pflegemutter in Yorkshire. Dort sollte er gefälligst auch bleiben, war die einhellige Ansicht der Nachbarn.
    Das alles war vor drei Monaten gewesen. Seitdem war Gwenda immer seltener aufgetaucht. Und Brian hatten die Nachbarn schon ewig nicht mehr gesehen. Das Haus verkam vor aller Augen. Die Nachbarn waren sich einig, dass etwas geschehen musste.
    Es war abends um halb sieben in der ersten Juniwoche. Die Tage waren lang und schienen sich mit aller Kraft gegen die Nacht zu wehren. Die Menschen in der Eastfield Street wirkten verschwitzt und müde. Alle waren reizbar. Und der Gestank lag schwer in der Luft.
    Gwenda stand in der Küche und machte sich ihr Abendessen. Sie war nie eine hübsche Frau gewesen – klein, schlampig gekleidet, mit glanzlosen Augen und schmalen Lippen, die nie lächelten. Doch seit Matts Auszug war es mit ihr noch mehr bergab gegangen. Sie kämmte ihr Haar nicht mehr. Fettig und verfilzt klebte es an ihrer Kopfhaut. Sie trug ein Kleid mit Blumenmuster und eine Strickjacke, die sie – genau wie sich selbst – schon ewig nicht mehr gewaschen hatte. Die Sachen hingen formlos an ihr herunter. Außerdem hatte sie die Angewohnheit entwickelt, sich ständig die Arme zu reiben, als fröre sie oder als hätte sie vor etwas Angst.
    »Willst du was essen?«, rief sie mit schriller Stimme.
    Brian saß im Wohnzimmer, und sie wusste schon jetzt, dass er nichts essen würde. Es war besser gewesen, als er noch den Job als Milchmann gehabt hatte, aber nach einem Streit mit einem seiner Vorgesetzten hatte man ihn gefeuert. Das war kurz nach Matts Auszug passiert. Und jetzt hatte Brian auch noch den Appetit verloren.
    Gwenda sah auf die Uhr. Gleich würde Glücksrad anfangen, die Sendung, die sie am liebsten sah. Dank Satellitenfernsehen konnte sie zwar jeden Abend Glücksrad sehen, aber donnerstags war es etwas Besonderes. An den anderen Tagen sendeten sie nur Wiederholungen, aber an jedem Donnerstag gab es immer eine neue Folge.
    Gwenda war süchtig nach Glücksrad. Sie liebte die hellen Lichter im Studio, die Überraschungspreise und die Teilnehmer, die eine Million gewinnen konnten, wenn sie genügend Fragen richtig beantworteten und sich dann trauten, das Rad zu drehen. Aber am meisten liebte sie den Moderator der Show – Rex McKenna. Er war braun gebrannt und witzig, und er hatte dieses perfekte, strahlend weiße Lächeln. Rex war ungefähr fünfzig Jahre alt, aber sein Haar war noch tiefschwarz, seine Augen funkelten, und er bewegte sich so leichtfüßig, als wäre er viel jünger. Er moderierte diese Show schon so lange, wie Gwenda sich erinnern konnte, und obwohl er noch zwei andere Quizsendungen leitete, gefiel er Gwenda in Glücksrad am besten.
    »Hat’s schon angefangen?«, rief sie aus der Küche. Brian antwortete nicht. Er redete in letzter Zeit nicht mehr mit ihr.
    Sie holte eine Dose Bohnen aus dem Küchenschrank. Das war natürlich nicht gerade ein Festessen, aber es war schon eine Weile her, seit einer von ihnen Geld verdient hatte, und mittlerweile machte sich das bemerkbar. Gwenda sah sich in der Küche nach einem sauberen Teller um, aber es waren keine mehr da. Überall stapelte sich das schmutzige Geschirr. Ein Turm verkrusteter Teller ragte aus dem Spülbecken heraus. Gwenda beschloss, ihre Bohnen aus der Dose zu essen. Sie fuhr mit der
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