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Teufelskreise (German Edition)

Teufelskreise (German Edition)

Titel: Teufelskreise (German Edition)
Autoren: Linda Robertson
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war nie an dem Amt und an der Aufmerksamkeit, die damit einherging, interessiert gewesen. Lydia gehörte zu der Art lieber alter Damen, denen man eigentlich nichts abschlagen konnte, aber ich versuchte es trotzdem und schob meine Jugend vor, die gegen ein solches Amt spräche.
    Als ich Vivian nun betrachtete, wirkte sie auf mich nicht viel älter, als ich selbst es war, um die dreißig. Und diese Frau sollte tatsächlich einen vom Rat anerkannten Konvent leiten? Und das schon seit bereits acht Jahren? Lydias Erzählungen hatten den Eindruck vermittelt, Vivian sei bereits über fünfzig.
    Obwohl die meisten Hexen, die in Großstädten lebten, viel offener mit ihrem Glauben umgingen als ihre Pendants in kleineren Orten, trug Vivian weder Pentakel noch Schmuck mit Göttinnensymbolen. Trotzdem wollte ich Vorsicht walten lassen. Nachdem ich mich schnell im Raum umgesehen hatte, senkte ich meine Stimme und fragte: »Tragen Sie den Strumpfhalter der Gruppe?«
    »Ja, aber nur, wenn wir ein Stregheria-Ritual durchführen.«
    Ich runzelte die Stirn; sie hatte meine Frage nicht sinnbildlich, wie sie gemeint gewesen war, sondern wörtlich aufgefasst. Stregheria war eine italienische Wicca-Tradition, in der Hohepriesterinnen einen Strumpfhalter so wie Könige eine Krone trugen.
    Vivians Miene verdunkelte sich, als sie begriff, warum ich die Frage gestellt hatte. »Ich habe jung begonnen«, sagte sie barsch. Ich hatte wohl einen wunden Punkt berührt, als ich mit der Frage ihre Autorität infrage stellte.
    Als sie die Zeitung sah, verzogen sich ihre Mundwinkel flüchtig zu einem traurigen Lächeln. »Gehen wir doch in mein Büro, ja?« Ohne auf meine Antwort zu warten, wandte sie sich um.
    Ich raffte meine Handtasche, die Zeitung und das Samttäschchen mit dem Tarotdeck zusammen und folgte ihr durch die Tür, über der stand: »Nur für Personal«. Vivian entledigte sich ihrer Schürze, hängte sie an einen Wandhaken und setzte sich auf einen Bürostuhl hinter dem Schreibtisch, auf dem eine solche Ordnung herrschte, dass er beinahe unbenutzt wirkte. Der wenige Platz in dem kleinen Raum wurde effektiv für Aktenschränke und Regale genutzt. In Letzteren standen Buchstützen, die mit dem Logo des Ladens verziert waren. Auf dem obersten Bord erblickte ich den einzigen Gegenstand, der irgendwie fehl am Platze wirkte: eine Holzkiste mit rostfleckigen Eisenbeschlägen und einem alten Schloss. Sie gefiel mir, weil sie aussah, als stammte sie aus der Zeit Artus’, sie wirkte wie eine Mischung aus Koffer und Piratenschatzkiste. Hätte ich raten müssen, hätte ich vermutet, dass sich in ihr die Zutaten für einen Zauber befanden, der geschäftlichen Erfolg verhieß oder verhinderte, dass die Ladenmiete stieg, um die Rentabilität zu gewährleisten.
    Ich setzte mich auf den Klappstuhl Vivian gegenüber. Die Zeitung und meine Handtasche legte ich unter den Stuhl, die Tarotkarten behielt ich auf den Knien.
    »Offensichtlich haben Sie bereits von Lorries Tod erfahren?«, sagte sie.
    »Ja.« Ich strich den Saum des Samttäschchens glatt.
    »Ich weiß, wer es getan hat.«
    Mein Kopf schoss hoch. Das hatte ich nicht erwartet.
    Vivian ließ das Kinn sinken, dann hob sie ihre Hände und wedelte mit ihnen herum, als würde sie die soeben ausgesprochenen Worte wegwischen wollen. Um die in der Luft liegende Spannung zu überspielen, lehnte sie sich mir entgegen, war kurz davor, ihr Gesicht in den Händen zu vergraben, entschloss sich dann aber dagegen. Sie hätte damit nur ihr kunstvolles Make-up ruiniert.
    Ich wartete darauf, dass sie fortfuhr, aber sie schwieg. Auch ohne die Karten zu konsultieren, wusste ich, was ich zu sagen hatte. »Sie müssen zur Polizei gehen.«
    »Das kann ich nicht.« Sie öffnete eine Schublade, zog ein Taschentuch hervor und betupfte vorsichtig ihre mit perfektem Lidstrich betonten blauen Augen. »Die Polizei wird ihre Nase in die Angelegenheiten des Konvents stecken wollen, ich kenne das Spiel. Mein Konvent ist mir viel zu wichtig, um so etwas zu riskieren.«
    Ich hatte recht gehabt. Sie war nicht mehr in der Lage, unparteiisch und objektiv zu denken. »Sie könnten ihnen sagen, Sie hätten einen anonymen Tipp bekommen«, schlug ich vor. Immerhin wäre so ein Vorfall für die Polizei nicht völlig fremd. Wenn ich Vivian nicht mit Worten dazu überreden konnte, würden die Karten sicher im Interesse der Gerechtigkeit das Richtige bewerkstelligen.
    Zittrig atmete Vivian aus. »Das hier ist keine Angelegenheit für die
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