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Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Autoren: Andreas Franz , Daniel Holbe
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dröhnte im hinteren Bereich des Hauses nur halb so laut, aber noch immer ziemlich kräftig. Iron Maiden, Motörhead, Rammstein; zu späterer Stunde, wenn nur noch der harte Kern versammelt war, kam aus den Boxen selten etwas Sanfteres. Kohlberger, von den meisten hier nur »Matty« oder »Maddie«genannt, war ein beinahe eins neunzig großer und über zwei Zentner schwerer Koloss, der durch seine bloße Anwesenheit Respekt erzielte. Nicht ohne Grund gehörte er zu den gefragtesten Türstehern in der Hanauer und Offenbacher Clubszene. Früher einmal hatte er sich außerdem noch im Frankfurter Rotlichtmilieu verdingt, doch dieses Pflaster war ihm vor ein paar Jahren zu heiß geworden. Eine Hälfte der Läden wurde mittlerweile von Türken oder Osteuropäern kontrolliert, die zweite Hälfte teilten sich diverse andere Volksgruppen. Früher war das anders gewesen, da hatten die Black Wheels das Sagen gehabt, ein Motorradclub, den Kohlberger bis aufs Blut hasste. Und doch waren es bessere Zeiten gewesen; die Konkurrenz eindeutig erkennbar, die Kämpfe hart, aber auch von einem gewissen Respekt bestimmt.
    »Jenseits des Mains gedeiht nur Übles«, pflegte Kohlberger heutzutage zu sagen, was verlässlich und regelmäßig immer dann zitiert wurde, wenn in den Lokalnachrichten die Rede von Prozessen gegen Biker-Gangs, Drogenrazzien im Milieu oder ganz allgemein von der Frankfurter Mafiaszene war. Das Revier war penibel abgesteckt, keiner überquerte den Fluss in nördlicher Richtung, jenen tiefblauen Einschnitt, der wie gottgewollt die Stadtgebiete von Frankfurt und Hanau zerschnitt und die südlichen Stadtteile und Offenbach davon abtrennte. Und es war ebenfalls schon lange niemand mehr über die Gegenrichtung in das Gebiet seiner eigenen Gang, der Mogin Outlaws, eingedrungen.
    Mit einer fahrigen Bewegung stieß Kohlberger das hölzerne Türblatt nach innen, krachend schlug es an die Wand und schwang anschließend knarrend in seinen Scharnieren hin und her. Er trat an das Pissoir heran und griff Halt suchend nach einer der verchromten Metallstangen, die neben jedem der drei Porzellanbecken angebracht waren. Langsam und konzentriert öffnete er zuerst den Ledergürtel und anschließend die Knopfleiste seiner löchrigen Jeans, nestelte sein Geschlechtsteil aus der Boxershorts und richtete den Strahl so zielgenau er konnte in das Becken. Er blinzelte benommen und verfluchte mit träger Zunge den Wodka, der an diesem Abend wieder literweise geflossen war. Er schloss seine Faust noch fester um den Halter, dankbar, jene Bügel vor ein paar Jahren genau zu diesem Zweck angebracht zu haben.
    Das dumpfe Dröhnen der Anlage übertönte das sich nähernde Stampfen der schweren Stiefel, und erst als die Tür erneut aufschwang, realisierte der benebelte Kohlberger, dass er nicht mehr allein war. Er fuhr unbeholfen herum, da er das Geschehen nur in Zeitlupe wahrnahm, und lallte Unverständliches. Urin spritzte auf seine Hosenbeine und seine abgewetzten ledernen Stiefelspitzen.
    »Was verdammt …«
    Seine Reflexe waren nicht schnell genug, um zu realisieren, was sich in den folgenden Sekunden abspielte. Erst als sich zwei Hände mit erbarmungsloser Kraft um seinen Hals legten und zudrückten, wurde ihm gewahr, dass sein Kopf in einer knisternden, nach Weichmachern riechenden Plastiktüte steckte. Panik, einer der wenigen menschlichen Überlebensinstinkte, die sich durch Rauschmittel zwar betäuben, nicht aber ausschalten lassen, ergriff Kohlberger, und er begann verzweifelt, um sich zu rudern. Er konnte nichts sehen, und seine Angreifer – es schien noch mindestens ein zweiter hinzugekommen zu sein – auch nicht identifizieren, denn sie tauschten nur knappe, zischende Anweisungen aus, und einer fluchte: »Verdammt, selbst im Suff hat der Kraft wie ein Bulle.«
    Doch seine Kraft reichte nicht aus. Der rechte Arm wurde ihm auf den Rücken gedreht, stechender Schmerz durchzuckte Bizeps und Schultergelenk, und auch den anderen Arm vermochte er nicht in die Nähe der tödlichen Plastiktüte zu bekommen, in deren Innerem der Sauerstoff durch das schnelle, stoßweise Atmen langsam ausging. Als Nächstes spürte Kohlberger, wie ihm die Knie weich wurden und er in sich zusammensackte. Der plötzliche Schmerz in der Nierengegend, als seine Hüfte schmerzhaft auf den unteren Rand des Pissoirs schlug, war das Letzte, was er wahrnahm. Danach schwanden ihm die Sinne.

Sonntag
    Sonntag, 23. September 2012, 5:20 Uhr
    J ulia Durant, Hauptkommissarin
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