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Tentakelblut (German Edition)

Tentakelblut (German Edition)

Titel: Tentakelblut (German Edition)
Autoren: Dirk van den Boom
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die Unterlagen prüfen. Zurzeit gehe ich davon aus, dass Botschafter Sobhex in Erfüllung seiner Pflichten in einer sehr gefahrvollen Umgebung gestorben ist und dass die Tentakelwacht daran keine spezifische Schuld trägt.«
    Der Mann wirkte erleichtert, fast fröhlich, als er ihre Worte vernommen hatte. Mirinda hielt es noch einige Floskeln lang aus, dann unterbrach sie die Verbindung.
    Stille senkte sich über die kleine Zimmerflucht, die ihr im Hauptquartier der Tentakelwacht in Nordamerika zugewiesen worden war. Sobhex war mit seiner Kapsel auf dem Weg hierher gewesen, um sie für den Rücktransfer ins Allianzsystem abzuholen. Jetzt war sie auf den guten Willen der Terraner angewiesen, ihre Heimreise antreten zu können, und obgleich sie an diesem keinesfalls zweifelte, würde dies erst einmal die gefahrvolle Reise von der Erde zum Jupiter bedeuten.
    Tatsächlich hatte man ihr bereits einen Platz gebucht, auf dem letzten Schiff, das Terra verlassen würde. Die Angriffe der Tentakel wurden erdrückend. Die Flotte konnte die Verteidigung um den Jupiter kaum noch aufrechterhalten. Und je klarer dies wurde, desto mehr häuften sich auch die Fälle von Meuterei unter den Schiffsbesatzungen. Das waren alles keine Dummköpfe. Sie begannen zu verstehen, dass die großen Versprechen auf Rettung nur hohle Phrasen waren, dass nur eine kleine, ausgewählte Elite sich absetzte und dass sie alle dafür bluteten, dies zu ermöglichen. Bei manchen mochte Fatalismus und Pflichtbewusstsein genügen, um den Kampf fortzusetzen, bei anderen aber überwog der Eindruck betrogener Hoffnung, die Gewissheit, das Opfer einer gnadenlosen Manipulation geworden zu sein. Warum also weiter sein Leben wegwerfen? Wenn schon kämpfen, dann auf und um die Erde, so symbolisch dieser Widerstand nunmehr auch noch sein mochte. Und so bröckelte die Verteidigung des Weltentors zusehends und Mirinda hatte ernsthafte Zweifel, ob ihr Ticket auf dem letzten Schiff von der Erde tatsächlich noch irgendeine Gültigkeit hatte. Es konnte natürlich sein, dass die Allianz eine weitere Kapsel entsenden würde. Mirinda war ein wertvolles Mitglied der Delegation, nicht einfach nur ein Roboter oder ein anderweitig zu vernachlässigender Gegenstand. Doch sie war möglicherweise nicht vom exakt gleichen Wert wie eine Kapsel und deren Besatzung. Mirinda hatte derzeit keine Verbindung, aber es würde sie gleichfalls nicht wundern, wenn man ihr irgendwann bedeuten würde, dass die notwendige Güterabwägung zu ihren Ungunsten ausgefallen war.
    Was dann?
    Dann war sie hier gestrandet.
    Sie starrte auf die schmucklose Wand und versuchte, mit diesem Gedanken klarzukommen. Wenn sie nicht mehr von hier fortkonnte, blieben nicht allzu viele Alternativen. Sie konnte sich dem Kampf anschließen und würde in diesem sterben – falls nicht ein weiterer kranker Tentakelwissenschaftler ihrer vorher habhaft wurde. Sie konnte sich hier verkriechen und sich verteidigen lassen. Die Erfahrung zeigte, dass selbst auf eroberten Welten Widerstandsnester noch bis zu zwei Jahre nach erfolgter Invasion aktiv blieben, da auch die Tentakel nicht immer überall sein konnten. Doch irgendwann wurden diese Kämpfer besiegt oder es fehlte ihnen an Ressourcen oder sie gaben einfach auf, was meist im Suizid endete.
    Auch die Arche der Kirche war eine potenzielle Zufluchtsstätte. Doch wollte Mirinda jemandem den Platz wegnehmen, der längst auf der Liste stand oder sich berechtigte Hoffnungen machen konnte, einen der noch freien Kühltanks belegen zu dürfen? Wäre das nicht das Gleiche, was die militärische und politische Elite der Menschheit mit dem Rest ihrer Spezies betrieb? Mirinda hielt sich für ein moralisches Wesen und die Art ihrer Existenz ermöglichte es ihr durchaus, den Selbsterhaltungstrieb unter Kontrolle zu halten. Sie würde Roby kontaktieren – oder jemand anderen aus der Organisation –, aber nicht, um einen Platz auf der Arche zu ergattern.
    Die einzig wahrhaft sinnvolle Alternative für sie war, sich der Kirche anzuschließen und zu versuchen, mit den Flüchtlingen in der unterirdischen Anlage zu überleben. Hier konnte sie sehr sinnvolle Dienste leisten. Sie verfügte über fortgeschrittenes technisches Wissen und erneut machte ihre Art der Existenz es möglich, mit relativ wenigen Ressourcen zu überleben. Sie konnte unter Rahmenbedingungen funktionieren, die für normale Menschen bereits sehr belastend waren, und sie war noch aktiv und einsatzfähig, wenn andere bereits an
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