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Teller, Janne

Teller, Janne

Titel: Teller, Janne
Autoren: Nichts
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von Marie-Ursula landete, knallte der andere gegen den Ast, auf dem Pierre Anthon saß.
    »Also,
Agnes«, rief Pierre Anthon mir zu. »Fällt es dir so
schwer, daran zu glauben, dass nichts etwas zu bedeuten hat ?«
    Ich
pfefferte einen dritten Stein ab, und dieses Mal muss ich Pierre Anthon getroffen haben, denn erst war ein »Aua« zu hören,
dann war es in der Baumkrone still. Danach warf Ole, aber der warf zu hoch und
zu weit, und Pierre Anthon fing wieder an zu rufen.
    »Falls ihr
achtzig werdet, habt ihr dreißig Lebensjahre verschlafen, habt gut neun Jahre
die Schule besucht und Hausaufgaben gemacht und knapp vierzehn Jahre lang
gearbeitet. Da ihr schon mehr als sechs Jahre damit verbracht habt, ein Kleinkind
zu sein und zu spielen, und da ihr später mindestens zwölf Jahre damit
verbringen werdet, sauber zu machen, Essen zu kochen und euch um die Kinder zu
kümmern, bleiben euch höchstens neun Jahre zum Leben .« Pierre Anthon warf eine Pflaume in die Luft, wo sie
einen leichten Bogen beschrieb, bevor sie in den Rinnstein fiel. »Und dann
plagt ihr euch damit ab, so zu tun, als hättet ihr Erfolg in einem sinnlosen
Spiel, anstatt die neun Jahre sofort zu genießen .« Er
riss noch eine Pflaume ab, lehnte sich in der Gabelung des Baums bequem zurück
und schien die Pflaume in der Hand zu wiegen. Er biss ein großes Stück ab und
lachte - die Victorias wurden allmählich reif.
    »Das ist
kein Spiel !« , rief Ole und drohte Pierre Anthon mit der Faust.
    »Genau,
das ist kein Spiel !« , pflichtete ihm der große Hans
bei und schleuderte einen Stein.
    »Warum tun
alle so, als sei alles, was nicht wichtig ist, sehr wichtig, während sie
gleichzeitig unheimlich damit beschäftigt sind, so zu tun, als wenn das
wirklich Wichtige überhaupt nicht wichtig ist ?« Pierre Anthon lachte und wischte sich mit einem Arm
den Pflaumensaft vom Kinn. »Ich frage mich, warum es so wichtig sein soll, sich
fürs Essen zu bedanken und für den Besuch und Danke gleichfalls zu sagen und
Guten Tag und Wie geht es, wenn schon bald keiner von uns noch irgendwohin geht
und das alle auch genau wissen und man stattdessen hier sitzen und Pflaumen
essen und den Gang der Erde um die Sonne beobachten und sich darin üben kann,
ein Teil von nichts zu werden?«
    Die beiden
Steine vom frommen Kai wurden schnell nacheinander losgepfeffert.
    »Wenn
nichts etwas bedeutet, ist es besser, nichts zu tun, als etwas zu tun. Besonders
wenn dieses Etwas darin besteht, Steine zu werfen, weil man sich nicht traut,
in Bäume zu klettern.«
    Nun flogen
die Steine von allen Seiten gegen den Pflaumenbaum. Die Reihenfolge war
aufgegeben. Alle warfen jetzt auf einmal, und kurz darauf war ein Aufschrei von
Pierre Anthon zu hören, und er rutschte vom Ast und
schlug mit einem Rums auf der Wiese hinter der Hecke auf. Das war auch gut so,
denn wir hatten keine Steine mehr, und es war schon spät. Der fromme Kai musste
den Zeitungswagen schnellstens nach Hause bringen, um rechtzeitig zum Klingeln
in der Schule zu sein.
     
    Als wir am
nächsten Morgen auf dem Schulweg am Pflaumenbaum vorbeigingen, war es dort
still.
    Ole
überquerte als Erster die Straße. Dann folgte der große Hans, der mit einem
gewaltigen Sprung zwei Victorias zu fassen bekam, die er zusammen mit einer
Menge Blätter und einem lauten Schrei abriss, und als danach immer noch nichts geschah,
folgten wir anderen ihm jubelnd.
    Wir hatten gewonnen!
    Der Sieg ist süß. Der Sieg ist. Der Sieg.
     
    Zwei Tage später saß Pierre Anthon mit einem
Pflaster auf der Stirn und vielen neuen schlagfertigen Sprüchen wieder im
Pflaumenbaum:
    »Und selbst wenn ihr etwas lernt, damit ihr glaubt, ihr könntet etwas,
ist immer jemand da, der das besser kann als ihr.«
    »Halt den Mund«, rief ich zurück. »Aus mir wird bestimmt etwas! Und ich
werde weltberühmt !«
    »Selbstverständlich,
Agnes.« Pierre Anthons Stimme war freundlich, fast
mitleidig. »Du wirst bestimmt Designerin und stöckelst auf hohen Schuhen herum
und spielst die Smarte und überzeugst alle anderen, dass sie glauben, wenn sie
nur in Sachen von deiner Marke herumlaufen, seien sie auch smart .« Er schüttelte den Kopf. »Aber du wirst feststellen, dass
du ein Clown in irgendeinem überflüssigen Zirkus bist, wo alle versuchen, sich
gegenseitig vorzumachen, es sei lebensnotwendig, in einem Jahr auf diese Weise
gekleidet zu sein und im nächsten auf eine andere. Und du wirst feststellen,
dass der Ruhm und die große Welt außerhalb von dir sind,
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