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Teller, Janne

Teller, Janne

Titel: Teller, Janne
Autoren: Nichts
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eine goldene
Uhr und machte sich nichts aus Problemen, egal ob sie klein oder groß waren.
»Dann beim Rektor«, fuhr sie fort. »Beim Rektor«, schnaubte Ole und hätte Klein
Ingrid gekniffen, wenn sich Jan-Johan nicht schnell zwischen die beiden gestellt
hätte.
    »Wir
können uns nicht beschweren, weder bei Eskildsen noch
beim Rektor oder irgendwelchen anderen Erwachsenen, denn wenn wir uns über
Pierre Anthon im Pflaumenbaum beschweren, müssen wir
erzählen, warum wir uns beschweren. Und dann müssen wir erzählen, was Pierre Anthon sagt. Und das können wir nicht, denn die Erwachsenen
wollen nicht hören, dass wir wissen, dass nicht wirklich etwas etwas zu bedeuten hat und dass alle nur so tun als ob .« Jan-Johan machte eine große Geste, und wir stellten uns
alle die Experten und Pädagogen und Psychologen vor, die kommen und uns
studieren und mit uns reden würden und uns überzeugen wollten, bis wir am Ende
aufgeben und wieder so tun würden, als ob doch etwas etwas zu bedeuten habe. Jan-Johan hatte recht: Das war nur Zeitverschwendung und
würde uns nicht weiterbringen.
    Eine Weile
sagte niemand etwas.
    Ich sah
mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne und danach zu dem weißen Fußballtor
ohne Netz, dann nach hinten zu der Kugelstoßanlage, den Hochsprungmatten und
der Hundertmeterbahn. Eine leichte Brise fuhr durch die Buchenhecke, die sich
um das gesamte Fußballfeld zog, und plötzlich war es wie in einer Sportstunde
und wie jeden Tag, und ich hätte beinahe vergessen, warum Pierre Anthon vom Pflaumenbaum heruntersollte .
»Meinetwegen kann er dort oben sitzen bleiben und rufen, bis er schwarz wird«,
dachte ich. Ich sagte es nicht. Der Gedanke war nur in dem Augenblick wahr, als
er gedacht wurde.
    »Lasst uns Steine nach ihm werfen«, schlug Ole vor, und darauf folgte
eine längere Diskussion, woher wir die Steine bekommen und wie groß sie sein
sollten und wer werfen sollte, denn die Idee an sich war gut. Gut. Besser. Am
besten. Wir hatten sonst keine.
     
    4
     
    Ein Stein.
Zwei Steine. Viele Steine.
    Sie lagen
im Zeitungswagen des frommen Kai, den er sonst immer benutzte, um
dienstagnachmittags die lokale Zeitung und am ersten Mittwoch im Monat das
Kirchenblatt auszufahren. Wir hatten sie unten am Fluss geholt, denn dort
waren sie groß und rund, und der Wagen war so schwer wie ein totes Pferd.
    Wir warfen
alle.
    »Zwei für
jeden, mindestens«, kommandierte Jan-Johan. Ole achtete darauf, dass sich
niemand drückte. Sogar Henrik der Kriecher war dabei und warf seine beiden, die
den Pflaumenbaum nicht mal annähernd erreichten. Die von Maike und Sofie kamen
ihm schon etwas näher. »Fürchtet ihr euch etwa vor dem Nichts ?« ,
rief Pierre Anthon und sah Marie-Ursulas Stein nach,
der kläglich in der Hecke landete.
    »Du sitzt da oben, weil dein Vater in den Achtundsechzigern feststeckt !« , rief der große Hans und warf einen Stein. Der traf eine
Pflaume, dass das Fruchtfleisch spritzte. Wir johlten laut.
    Auch ich,
obwohl ich ganz genau wusste, dass weder das eine noch das andere stimmte.
Pierre Anthons Vater und die Kommune bauten
ökologisches Gemüse an und kümmerten sich um exotische Religionen und waren
empfänglich für Geister, alternative Behandlungen und andere Menschen. Aber das
war nicht der Grund, weshalb es nicht stimmte. Es stimmte deshalb nicht, weil
Pierre Anthons Vater einen Bürstenhaarschnitt hatte
und in einer Computerfirma arbeitete. Und das war sehr modern und hatte weder
mit Achtundsechzig noch mit Pierre Anthon etwas zu
tun.
    »Mein Vater steckt in gar nichts fest und ich auch nicht !« , schrie Pierre Anthon und
wischte sich ein bisschen Matsche vom Arm. »Ich sitze im Nichts. Und lieber im
Nichts sitzen als in etwas, was nichts ist !« Es war
früh am Morgen.
    Die
Sonnenstrahlen fielen von Osten ins Geäst, und das hieß, Pierre Anthon genau in die Augen. Wenn er uns sehen wollte, musste
er die Augen mit einer Hand beschatten. Wir standen mit der Sonne im Rücken um
den Zeitungswagen auf der gegenüberliegenden Seite des Bürgersteigs. Bis wohin
Pierre Anthons Pflaumen schwerlich flogen. Wir
antworteten nicht auf seine Worte. Richard war an der Reihe. Und Richard warf
einen Stein, der hart gegen den Stamm des Pflaumenbaums schlug, und noch einen,
der zwischen die Blätter sauste und dicht an Pierre Anthons Ohr vorbei. Dann warf ich. Im Werfen war ich noch nie gut gewesen, aber ich war
wütend und beschloss zu treffen, und während der eine Stein in der Hecke neben
dem
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