Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teller, Janne

Teller, Janne

Titel: Teller, Janne
Autoren: Nichts
Vom Netzwerk:
Eltern, die verheiratet waren und nicht geschieden und das auch
nie werden würden, glaubte Frederik an Dänemark und an das Königshaus, und mit
Hussein durfte er nicht spielen.
    Der Dannebrog , unsere stolze Fahne, war zwölfhundert-irgendwann vom Himmel gefallen, damit der dänische König in Lettland den Feind besiegen
konnte, behauptete Frederik. Was der dänische König in Lettland gemacht hatte,
darauf wusste Frederik keine Antwort, und es hätte ihm auch nicht geholfen,
wenn er eine gewusst hätte.
    Uns war
der König so egal wie Lettland, und wir grölten: » Dannebrog , Dannebrog . Frederik holt den Dannebrog !«
     
    Das war kein
sonderlich bemerkenswertes Lied, aber wir sangen es immer wieder und
amüsierten uns mächtig darüber. Vielleicht vor allem wegen Frederiks entsetzten
Gesichtsausdrucks.
    Im
Vorgarten des roten Einfamilienhauses, in dem Frederik und seine verheirateten
und nicht geschiedenen Eltern wohnten, stand die längste Fahnenstange von Taering . Und von dieser Fahnenstange wehte der Dannebrog von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu jeder
sich bietenden Gelegenheit, sei es der Geburtstag der Königin oder der von Frederik,
zu allen Feiertagen und an jedem einzelnen Sonntag. In Frederiks Zuhause
gehörte das Hissen der Flagge zur Pflicht und zum Vergnügen des Mannes, und
seit Frederik vor Kurzem vierzehn geworden war, hatte
er diese Pflicht und dieses Vergnügen stolz von seinem Vater übernommen.
    Es
verstand sich von selbst, dass Frederik die Flagge nicht abliefern wollte.
Aber wir kannten kein Pardon, und am nächsten Tag wurde der Dannebrog ein Teil des Bergs aus Bedeutung.
     
    Als Frederik das rot-weiße Tuch an der Eisenstange festband, die Jan-Johan hinter dem Sägewerk gefunden hatte und die
jetzt mitten in den Berg aus Bedeutung gepflanzt wurde, standen wir stramm und
sangen die Nationalhymne. Von Nahem war der Dannebrog sehr viel größer, als wenn er oben am Fahnenmast wehte, und in Anbetracht der
Geschichte und der Nation und dem allen war mir bei dem Unternehmen etwas
mulmig zumute. Von den anderen schien es keinen zu stören; und so dachte ich an
die Bedeutung und konnte doch sehen, dass Maike ins Schwarze getroffen hatte:
mit dem wehenden Dannebrog auf der Spitze sah der
Berg aus Bedeutung wirklich nach etwas aus. Etwas. Viel. Bedeutung!
     
    Niemand
von uns hätte gedacht, dass Frederik gehässig sein konnte. Aber er stieg nicht
wenig in unserer Achtung, als er um Dame Werners Tagebuch bat.
    Dame Werner war - wie soll ich das sagen: Dame Werner. Dame Werners
Tagebuch aber war ein ganz besonderes Teil, in dunkles Leder eingebunden und
voller zierlich und dicht beschriebener Seiten auf etwas, was Butterbrotpapier
ähnelte, aber sicher erheblich kostbarer war.
    Jetzt sagte Dame Werner Oh und Nein, und das könne er doch nicht
verlangen, und machte Gesten mit den Händen, die wir Mädchen später nachzuahmen
versuchten, während wir uns vor Lachen bogen. Es half alles nichts.
    Das Tagebuch
kam auf den Berg, allerdings ohne Schlüssel, denn Frederik hatte vergessen,
darum zu bitten, und damit verlor er seine neu gewonnene Achtung fast ebenso
schnell, wie er sie bekommen hatte.
    Dame
Werner erklärte nasal und ein bisschen herablassend, mit seinem Tagebuch habe
der Berg aus Bedeutung ein völlig neues Niveau erreicht - er hatte eine Vorliebe für französische
Ausdrücke, deren Bedeutung wir anderen nicht immer kannten. Was auch immer er
genau damit meinte, aufgrund des Niveaus bat er Anna-Li ,
sie möge entschuldigen, aber sie müsse ihre Adoptionsurkunde bringen.
    Anna-Li war Koreanerin, obwohl sie seit ihrer Adoption Dänin
war und von ihren Eltern nur die dänischen kannte. Anna-Li sagte nie ein Wort und mischte sich nie in etwas ein, blinzelte nur und sah
nach unten, wenn jemand sie ansprach. Auch jetzt antwortete sie nicht.
Marie-Ursula war es, die protestierte:
    »Das gilt
nicht, Werner. Die Adoptionsurkunde ist wie eine Geburtsurkunde. Die kann man
nicht weggeben .«
    »Ihr müsst
vielmals entschuldigen«, sagte Dame Werner mit gekünstelter Nachsicht. »Mein
Tagebuch ist mein Leben. Wenn das auf dem Berg liegen kann, kann es die
Adoptionsurkunde auch. War es nicht so gedacht, dass dieser Berg Bedeutung
haben solle ?«
    »Aber nicht so«, sagte Marie-Ursula und schüttelte den Kopf, dass die
sechs blauen Zöpfe nur so durch die Luft flogen. Dame Werner blieb höflich und
bestimmt, und wir wussten nicht so recht, was wir sonst noch einwenden konnten,
und standen grübelnd
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher