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Tekhnotma - Zeit der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Tekhnotma - Zeit der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: Tekhnotma - Zeit der Dunkelheit: Roman (German Edition)
Autoren: Aleksei Bobl , Andrei Levitski
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Entweder war dieser Typ hier ein totaler Loser – bei den Gardisten findet man kaum echte Profis, anders hätten wir es niemals bis zum Chreschtschatyk geschafft –, oder er hatte gute Gründe, im unteren Stockwerk zu bleiben.
    Der tote Körper vor mir zuckte wieder zusammen. Und wieder. Er fing an zu bluten, das weiße Hemd verfärbte sich über Brust und Bauch rot. Irgendwie gelang es mir, die Hand in die rechte Hosentasche des Toten zu schieben, wo ich etwas aus glattem Plastik zu fassen bekam. Ich zog den ovalen Sender mit Schlüssel heraus.
    Mit einiger Mühe kroch ich in den Wagen, positionierte mich in Reichweite des Lenkrads und brachte meinen Fuß vors Gaspedal, drückte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn. Ein kurzes Piepsen ertönte, auf dem Armaturenbrett leuchtete eine rote Spirale auf, die weiß wurde, ehe sie verlosch. Ich drehte den Schlüssel wieder.
    Der Anlasser schnurrte und der Motor sprang an.
    Eine Kugel traf die Lenksäule und durchschlug sie mit einem Krachen. Ich zog den Kopf ein, warf den Schalthebel des automatischen Getriebes nach unten, presste den Fuß auf das Gaspedal und krallte mich ans Lenkrad. Der Mercedes fuhr an, nahm schwerfällig Fahrt auf, rollte schaukelnd mit seinen zerschossenen Reifen über den holprigen Asphalt. Ich drehte das Lenkrad, um einem zerstörten Kleinbus und dem Wrack eines Polizeiwagens auszuweichen, woraufhin der Mercedes nach links ausbrach, als würde er sich auf Glatteis bewegen. Geradewegs in das Rathaus reinzurasen war unmöglich, denn zu seinem Eingang führte eine breite Treppe hinauf. Dennoch drückte ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch. In die Windschutzscheibe schlug eine Kugel ein, die Scheibe überzog sich mit einem Netz von Sprüngen. Krachend holperte das Auto über die Bordsteinkante. Eine zweite Kugel traf die Frontscheibe, das Glas zersplitterte. Der Fahrtwind schlug mir durch die Öffnung entgegen.
    Im letzten Moment riss ich das Lenkrad herum und der Wagen grub sich mit dem linken Vorderrad in die unterste Stufe des Aufgangs.
    Ich wurde so heftig aufs Armaturenbrett geworfen, dass ich mir die Zunge blutig biss. Eine Sekunde später sprang ich aus dem Auto und stürzte die Stufen zur geöffneten Eingangstür des Kiewer Rathauses hinauf.
    Hinter mir knallten die Schüsse einer Kalaschnikow – Opanas hatte meine Absicht erkannt und schoss über den Container hinweg auf den unsichtbaren Schützen, um mir Deckung zu verschaffen. Im Fenster links von der Tür bewegte sich etwas. Ich feuerte im Laufen zweimal in die Richtung, sprang mit einem Satz auf den marmornen Treppenabsatz vor der Eingangstür, rannte weiter, ließ mich auf den Rücken fallen und schlitterte mit den Füßen voraus ins Gebäude.
    Vor dem Fenster zu meiner Linken stand auf einem Turm von aufeinandergestapelten Möbelstücken ein Mann auf ein Knie gestützt und zielte mit einem Gewehr mit Zielfernrohr auf mich. Er trug einen blassblauen Anzug mit einem verwaschenen gelben Muster, war unrasiert, ohne Helm und Schutzweste und hatte einen langen schwarzen Haarschopf.
    Er schoss. Noch immer auf dem Rücken liegend, betätigte ich den Abzug meiner Waffe. Sein Geschoss prallte an meiner Schutzweste ab, aber meine Kugeln drangen in die Brust des Scharfschützen. Sein Körper neigte sich nach hinten, das Gewehr rutschte ihm aus den Händen, er riss sich noch einmal nach vorne, schwankte und stürzte dann mit dem Gesicht voraus auf den Steinboden.
    Die Hand auf die Brust gepresst, stand ich mühsam auf. Mein Herz raste und meine Rippen schmerzten heftig. Ich sah mich in der weiträumigen Eingangshalle um. Beide Treppenaufgänge waren eingestürzt, deshalb also hatte der Schütze sich hier unten postiert. Ich trat zu dem toten Mann, klappte die Schulterstütze meiner Kedr ein, verstaute sie in der Pistolentasche, griff mir sein Gewehr und zog zwei Magazine aus seiner Patronentasche, ehe ich wieder auf die Straße rauslief.
    Jetzt wurde unmittelbar am Denkmal des geköpften Lenin geschossen: Ich konnte die blassblaugelben Anzüge der Gardisten und die grünbraun gemusterten Uniformen der Armeesoldaten erkennen. Die Kämpfer lagen zu beiden Seiten hinter dem Podest des Denkmals in Deckung. Einige Soldaten schlugen sich, von den Gardisten unbemerkt, seitlich durch die Büsche an ihre Gegner heran.
    Opanas saß hinter seinem Container. Als ich bei ihm auftauchte, hob er sein leichenblasses Gesicht zu mir und krächzte: »Und ich dachte … der Pilot ist hinüber …
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