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Tatort Oktoberfest (German Edition)

Tatort Oktoberfest (German Edition)

Titel: Tatort Oktoberfest (German Edition)
Autoren: Barbara Ludwig
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vor der Gondel stehen, verzichtet Kopitzki auf weitere Bemerkungen. Wenn sie die Runde hinter sich haben, sind die beiden Gesetzeshüter bestimmt schon weg, und er hat ja auch nichts zu befürchten. Sie steigen in die schon bereitstehende Gondel. Nur eine Frau im Dirndl steht bereits am anderen Ende. Sie dreht ihnen den Rücken zu und fotografiert. Er beachtet sie nicht weiter, mit Frauen kann er sich später befassen, hier geht es um Wichtigeres. Sein Begleiter steckt dem Einstiegshelfer einen Schein in die Hand, als er noch mehr Personen einlassen möchte. Kopitzki weist auf die Frau auf der anderen Seite, sein Begleiter zuckt die Schultern und hebt die Hände, als wolle er sagen: „Nichts zu machen.“ Sie nehmen Platz, die niedrige Tür wird verschlossen, das Riesenrad setzt sich in Bewegung. Die Frau sitzt jetzt ebenfalls, noch immer hat sie ihre Kamera vor dem Gesicht und den Kopf abgewandt.
    Kopitzki schielt voller Verlangen auf die Plastiktüte mit dem weiß-blauen Rautenmuster und dem Emblem von Ochshammers Fabrik in der Hand seines Begleiters und knistert mit seiner Tüte, die der anderen aufs Haar gleicht. Er grinst. Wie sinnig. In seinem Mund sammelt sich Spucke vor Aufregung. Für die Aussicht hat er keinen Sinn. Die Tasche seines Begleiters beult sich ein wenig. Eigentlich müsste man meinen, eine Million in Scheinen würde plumper und voluminöser wirken. Aber er wird sie gleich sehen, diese geilen Dinger, gleich fühlen, am liebsten würde er auch an ihnen riechen, wenn der Beutel den Besitzer gewechselt hat. Dass die Summe stimmt, darauf kann er sich verlassen. Er wird also nur einen coolen Blick in den Beutel werfen, nur kurz die Zahl der Stapel schätzen und dann die Tüte an sich nehmen und wegschlendern. Um eine Million reicher.
    Sein Begleiter schaut interessiert hinaus. Die Frau auf der anderen Seite fotografiert noch immer. Kopitzki würdigt zum ersten Mal die Aussicht. Sie haben die Höhe noch nicht ganz erreicht, stehen bei Dreiviertel. Bevor er die Tüte erneut anvisiert, streift sein Blick noch einmal die Frau. Ihm wird schwindelig. Die Rezzo! In diesem Moment springt sie auf, hält plötzlich einen Revolver in der Hand, zielt auf eine Gondel schräg über ihnen und drückt ab.
    „Du wirkst heute etwas spröde, Claudia, komm, lächle, das kannst du doch sonst so gut“, hört sie in einem fort und zieht die Mundwinkel nach oben. Um sich zu trösten, streichelt sie ab und an Ludwigs Hand und zwinkert Ochshammer zu. „Ja, so ist es besser. Jetzt noch eine Drehung, lehn dich etwas vor, schließlich wollen die Leute das Holz vor der Hütt’n sehen.“ Die Gondel ruckt ein wenig. Claudia will sich setzen, es reicht ihr, sie ist erschöpft. Gleich erreichen sie die volle Höhe. Der Fotograf gibt keine Ruhe. „Noch eine Minute, gleich sind wir fertig. Stell dich mit Ludwig hier an die Tür, dann haben wir hinten den blauen Himmel. Ludwig hinter Claudia, etwas seitlich versetzt, keine Berührung bitte. Ja, so ist es gut, das ist super, großartig und lächeln …“
    Ein plötzliches Geräusch, einem Peitschenknall nicht unähnlich, lässt Claudia zusammenfahren, sofort ist die Erinnerung an die Geisterbahn präsent. Sie duckt sich. Als sie sich wieder aufrichtet, sackt Ludwig wie in Zeitlupe zusammen. Sie fängt ihn auf, sie fallen zusammen auf den Boden. Er begräbt sie unter sich. Claudia versucht, sich aufzurappeln, Ochshammer streckt ihr die Hand hin. Sie sieht den Schrecken in seinen Augen, begreift nicht gleich, will Ludwig ebenfalls helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Dann sieht sie das Loch in seinem Rücken, aus dem Blut rinnt. Sie dreht den hilflosen Körper um, setzt sich auf den Boden der Gondel, bettet Ludwigs Kopf in ihren Schoß. Seine blauen Augen schimmern dunkel, flackern, bevor ihr Blick zu fernen Ufern schwimmt. Erstaunen liest sie in ihnen, dann Alter, jetzt richten sie sich starr nach oben.
    Erst in dieser Minute begreift sie. Ein kehliger Laut des Schmerzes stößt ganz von unten herauf. Dann sackt sie auf Ludwig zusammen, bedeckt das noch warme Gesicht mit Küssen. „Ti amo, ti amo, warum, warum …“, wimmert sie vor sich hin.
    Kopitzki starrt fassungslos auf Frau Rezzo, die mit der Waffe herumfuchtelt, bevor sie den Lauf auf ihn und seinen Begleiter richtet. Dieser versucht, mit sanften, leisen, italienischen Worten auf sie einzureden. Sie schüttelt den Kopf. Ihr Blick ist wirr. Voller Entsetzen starrt Kopitzki sie an. Sie haben den höchstmöglichen Punkt
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