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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana
Autoren: Tathana Cruz Smith
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nicht. Es geht darum, dass wir nicht gewinnen können. Wir laufen uns nur tot. Ich hätte einen netten Tag im Bett verbringen können, vollkommen hinüber und sturzbesoffen.«
    »Und ich habe dich davon abgehalten?«
    »Hast du. Ich weiß, dass du es gut meinst.«
    Ein Pope dröhnte: »Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetz des Herrn wandeln.« Ein goldenes Kruzifix baumelte auf Bauchhöhe, an seinem Handgelenk schimmerte eine goldene Rolex.
    Arkadi brauchte eine Pause. Er drehte eine Runde über den Friedhof und betrachtete die Grabsteine. Seine Lieblingsstatuen, könnte man sagen. In schwarzem Marmor brütete ein Großmeister über einem Schachbrett. In weißem Marmor schwebte eine Ballerina durch die Luft. Auch Kurioses gab es. Vom Grab eines Schriftstellers erhob sich eine Waldelfe. Ein in Bronze gegossener Komödiant bot eine frische Nelke dar. Bescheidene Grasflecken luden die Lebenden ein, sich auf eine Bank zu setzen und mit einem längst Verstorbenen zu plaudern.
    Alexi Grigorenko trat Arkadi in den Weg. »Kann mein Vater nicht in Frieden beerdigt werden? Müssen Sie ihn bis ins Grab verfolgen?«
    »Mein Beileid«, sagte Arkadi.
    »Sie stören eine Beerdigung.«
    Die Aussegnung war unterbrochen, während Alexi zeigen musste, wie taff er war, Verteidiger der Familienehre und all das.
    »Wir sind hier auf einem Friedhof, Alexi«, sagte Arkadi. »Jeder ist willkommen.«
    »Das ist reine Schikane, und es ist eine fucking Entweihung.«
    »Ist das der Umgangston in der amerikanischen Business School?«
    »Sie waren nicht eingeladen«, fauchte Alexi.
    Alexi war eine geschniegeltere Version seines Vaters, modisch unrasiert, das Haar am Kragen mit Gel gelockt. Er gehörte zu einer neuen Generation, die Wirtschaftsforen in Aspen besuchten und in Chamonix Ski liefen, und er ließ keinen Zweifel daran, dass er davon ausging, die Familie auf die nächste Stufe der Legitimität zu führen. Arkadi fragte sich, ob Alexi die nächste Woche überleben würde.
    Am Friedhofstor gab es eine echte Störung. Totengräber verscheuchten eine Gruppe mit Transparenten. Arkadi konnte nicht erkennen, worum es ging, erhaschte jedoch einen Blick auf eine Fotojournalistin, die er kannte. Anja Walidowa wohnte auf der anderen Seite seines Flurs und teilte manchmal das Bett mit ihm. Sie war jung und voller Leben, und was sie in Arkadi sah, war ihm ein Rätsel. Er hatte keine Ahnung, was sie auf dem Friedhof wollte, und sie warf ihm einen warnenden Blick zu, nicht näher zu kommen. Kein Bezug zur Mafia. Anjas Freunde waren Schriftsteller und Intellektuelle, durchaus zu Torheiten fähig, aber nicht zu Verbrechen, und nach ein bisschen Hin und Her verschwanden sie die Straße hinunter. Anja blieb bei ihnen.
    Der Pope räusperte sich und meinte zu Alexi: »Vielleicht sollten wir jetzt zur Grabrede kommen, bevor, na ja, noch irgendwas passiert.«
    Eine Grabrede würde nicht reichen, dachte Arkadi. Hier ging es um Alexis Inthronisierung durch viele der Trauergäste, ein knallhartes Publikum. Sie würden ihn eher köpfen als krönen.
    »Wenn er gescheit ist, nutzt er die Gelegenheit, ihnen zum Abschied zuzuwinken und um sein Leben zu laufen«, sagte Viktor.
    Alexi fing bedächtig an. »Mein Vater Grischa Iwanowitsch Grigorenko war aufrichtig und gerecht, ein Visionär in Geschäftsdingen, ein Mäzen der Künste. Frauen wussten, was für ein Gentleman er war. Trotzdem war er ein Mann unter Männern. Nie ließ er einen Freund im Stich oder wich einem Kampf aus, trotz aller Angriffe auf seinen Charakter und der Verunglimpfung seines Rufes. Mein Vater begrüßte Veränderung. Er begriff, dass eine neue Zeit begonnen hatte. Er beriet eine neue Unternehmergeneration und war wie eine Vater für alle, die seiner Hilfe bedurften. Er war ein gläubiger Mensch mit einem tiefen Gemeinschaftsgefühl, entschlossen, die Lebensqualität sowohl in seiner zweiten Heimat Kaliningrad als auch in seiner Geburtsstadt Moskau zu verbessern. Ich habe meinem Vater versprochen, seinen Traum zu erfüllen. Ich weiß, dass seine echten Freunde mir folgen werden, um diesen Traum wahr werden zu lassen.«
    »Und vielleicht schlitzen sie ihn von oben bis unten auf«, flüsterte Viktor.
    Alexi fügte hinzu: »Um zu etwas Erfreulicherem zu kommen, möchte ich Sie alle einladen, die Gastfreundschaft der Familie Grigorenko auf Grischas Jacht zu genießen, die am Kreml-Pier vor Anker liegt.«
    Trauergäste defilierten am offenen Grab vorbei und ließen rote Rosen auf den Sarg
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