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Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)

Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)

Titel: Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)
Autoren: Andrina L. Vögele
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Ausdruck im Gesicht machte ich mich bereit für unser ›wundervolles‹ Abendessen.

    »Also William, es ist köstlich wie immer. Dieses Lamm … hm, einfach traumhaft.« Lady Sherbire, eine grosse, schlanke Frau, lobte unsere Gerichte wie jedes Mal, wenn sie bei uns zu Gast war. Ihr hellblondes Haar trug sie toupiert auf dem Kopf, und es war mit etlichen grünen Haarspangen, alle davon mit Diamanten bestückt, verziert. Ihr rotes, ärmelloses Paillettenkleid produzierte tanzende Flecken an den Wänden, wann immer das Licht des mächtigen Kronleuchters sich darin spiegelte. Ihr Mund war violett geschminkt, und die mit Smaragden besetzten, hängenden Ohrringe gingen ihr fast bis zu den Schultern. Sie trug einen Strang aus schwarzen Diamanten um den Hals, die farblich überhaupt nicht zu ihrem Outfit passten. Sie war eigentlich eine wunderschöne Frau mit hohen Wangenknochen und fröhlich funkelnden Augen, aber ihr Stil war eher gewöhnungsbedürftig. Ihr Mann hingegen, Lord Sherbire, war klein, korpulent und hatte eine Glatze. Er sagte fast nie etwas, aber sein Lachen – das man gerade vernehmen konnte – war äusserst laut. Ihre Tochter Carol, ein süsses, aber schüchternes zwölfjähriges Mädchen, das ein absolut hinreissendes pinkfarbenes Kleid trug, war wie immer perfekt frisiert. Ihrer Mutter war sie wie aus dem Gesicht geschnitten. Neben mir sass ein Junge in meinem Alter, der ständig ein Fussballtrikot trägt. Auch an diesem Tag war es so, aber ausnahmsweise hatte er ein Jackett darübergezogen. Eine ausgewaschene Jeans und teure Lackschuhe rundeten seinen Look ab. Eine seltsame Kombination, aber es war einfach sein Stil. Nicht mal zur Erneuerungszeremonie des Eheversprechens seiner Eltern hatte er sich wirklich in Schale geworfen. Er musterte mich fast das ganze Essen hindurch schweigend underst als das Dessert – ein Mouleux, meine Lieblingsnachspeise – aufgetragen wurde, wandte er sich an mich. »Und, wie läuft’s so? Schule und so?«, fragte er. Ich verschluckte mich. Mit einer so normalen Frage hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet. Er war zwar sechzehn, doch benahm er sich meistens eher wie zwölf.
    »Gut«, antwortete ich vorsichtig.
    »Hey, ich habe einen Witz«, sagte er. Jetzt war ich aber gespannt.
    »O.k., bereit?« Er wartete gar nicht ab, ob ich es war, sondern fuhr gleich fort: »Zwei Jäger trafen sich!« Er prustete los, als wäre das das Lustigste, was er je gehört hätte. Ein wenig verwirrt blickte ich zu Carol. Sie zuckte mit den Schultern und lächelte schwach. Was war so lustig? Zwei Jäger trafen sich. Lächerlich.
    Und plötzlich machte es Klick und ich verstand. Nun lachte auch ich. Irgendwie war es albern, aber es löste die Spannung ein wenig. Oder zumindest könnte ich nun auch etwas dazu beitragen, wenn meine Freunde von heute Abend erzählen würden.
    Ich hatte an diesem Abend nicht direkt Spass, aber wenigstens dachte ich nur drei viertel der Zeit daran, was ich wohl gerade verpasste. Am Montag würden meine Freunde Insider-Witze mitbringen, Anekdoten über diesen Abend erzählen und mir davon vorschwärmen. Na toll. Aber ich hatte wenigstens den Witz.
    »Gute Nacht, Dad«, flötete ich, beschwingt von der Aussicht, den nächsten Tag mit meiner Kusine beim Einkaufen zu verbringen und dann bei ihr zu übernachten. Sie ist anderthalb Jahre älter als ich und eine meiner besten Freundinnen.
    »Ich muss morgen um elf Uhr im Einkaufszentrum sein. Wann gehst du ins Büro?«
    Mein Vater hatte seine eigene Versicherungsfirma. Ich war zwar mächtig stolz auf ihn, weil er dieses Imperium in nur vier Jahren ganz alleine aufgebaut hatte, nachdem er beschlossen hatte, dass sein alter Job ihn langweilte, trotzdem verabscheute ich dieses Stahlgebäude mit der freundlichen Dame am Empfangstresen. Nicht dass Frau Kercher nicht nett und liebenswürdig war, und sie war ja auch nicht das Problem. Nein, das Problem war, dass er wegen dieses Gebäudes, in dem sich nebenbei bemerkt auch sein Büro befand, viel mehr Zeit im Konferenzraum mit Kunden und Verträgen verbrachte als mit mir. Ich sehnte mich nicht unbedingt danach, den ganzen Tag mit meinem Vater zu verbringen, aber wenigstens würde ich gerne ab und zu mit ihm in die Ferien fahren. Doch in den letzten vier Jahren hatte er sich nur genau dreimal einen Urlaub gegönnt und mich sonst immer mit meiner Tante oder mit Freunden weggeschickt.
    O.k., weggeschickt klingt vielleicht ein bisschen gar harsch. So war es auch nicht gerade
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