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Tanz mit dem Teufel

Tanz mit dem Teufel

Titel: Tanz mit dem Teufel
Autoren: Daniel Depp
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wäre er ein noch größerer Loser als die übrigen verkorksten Bleichgesichter.
    Die Möbel im Wohnzimmer sahen schäbiger aus, als er sie in Erinnerung hatte, und beim Blick durch die Terrassentür stellte er fest, dass der Rasen dringend mal wieder gemäht werden musste. Seit er allein lebte, war irgendwie alles verlottert, vor allem er selbst. Die Scheidung hätte ihn beinahe umgebracht. Er nahm sich ein schlechtes Beispiel an Walter und soff sich fast tot, bis er im vergangenen Jahr Anna kennenlernte. Obwohl sie ihm guttat, mehrten sich die Anzeichen, dass er auf dem besten Weg war, auch diese Beziehung in den Sand zu setzen. Spandau ging nach draußen, zu dem Teich, den er nach Dees Auszug angelegt hatte.
    Eine Wasserschildkröte und ein paar große Goldfische mussten als Familienersatz herhalten. Doch schon bald fingen die nächtlichen Raubzüge der Waschbären an, und wenn Spandau morgens aufstand, kam es immer wieder vor, dass er im Garten eine starre goldene Fischleiche fand, angefressen oder auch nur mutwillig zerrupft. Weil er zu der Zeit ständig unter Strom stand, sah er in den kleinen Viechern mit der Räubermaske über den Augen bald das personifizierte Böse, Teufel im Pelzrock, Vertreter alles dessen, was schlecht war auf dieser Welt. Eines Nachts hatte er im Suff sogar mit einem antiken Navy .44er um sich geschossen. Am nächsten Tag war er mit einem höllischen Kater aufgewacht, heilfroh, dass er nicht verhaftet worden und ihm die schrottreife Kanone nicht in der Hand explodiert war.
    Die Fische schwammen munter im Kreis. Ein Nachbar fütterte sie, wenn Spandau nicht zu Hause war. Als sie ihn entdeckten, kamen sie angepaddelt. Er holte das Fischfutter und streute eine Handvoll ins Wasser. Gierig schnappten sie nach den Bröckchen. Spandau zählte sie durch. Es schien keiner zu fehlen. Vielleicht hatten die Waschbären sich ein anderes Jagdrevier gesucht. Er war erleichtert. Die Schildkröte, der es bei Spandau – zu Recht – viel zu gefährlich war, hatte schon vor langer Zeit das Weite gesucht.
    Zuletzt ging er noch in die Garage, um nach dem Pick-up zu sehen. Der originalgetreu in Babyblau und Weiß lackierte Apache Short Bed, Baujahr 1958, den er von Beau geerbt hatte, war sein ganzer Stolz. Er klemmte sich hinters Lenkrad und nahm die Baseballkappe mit der Aufschrift »Red Pecker Bar & Grill« vom ledernen Beifahrersitz, setzte sie auf und öffnete das Garagentor. Der Wagen sprang fast auf Anhieb an, der Motor lief wie eine Eins. Spandau schaltete das Radio ein, rollte auf die Straße und fuhr ein paar Runden um den Block. Der alte Outlaw Waylon Jennings sang »This Time«, und Spandau sang mit, als säße sein jüngeres – und besseres – Alter Ego am Steuer.

10
    Genau vor dem Detektivbüro Coren Investigations fand Spandau eine Parklücke. Er warf einen Blick über den Sunset Boulevard auf das kleine französische Bistro gegenüber, wo Julien, der Besitzer und Koch, gerade die Tageskarte heraushängte. Er musterte Spandau, Spandau musterte ihn. Spandau trottete zu ihm hinüber und las sich übertrieben gründlich die Karte durch.
    Schließlich räusperte er sich. »Wie ich sehe, gibt’s mal wieder Daube provençale.«
    »Stimmt«, sagte Julien.
    »Mit Orangenschale?«
    »Nein«, sagte Julien. »Nicht mit Orangenschale.«
    »Aha«, sagte Spandau.
    Der Koch stöhnte und verdrehte die Augen.
    »Jetzt fang nicht wieder damit an, David. Wie oft müssen wir das noch durchkauen? Amerikaner mögen nun mal keine Orangenschale.«
    »Ohne Orangenschale ist es nicht authentisch. Das hast du selber gesagt. Du kommst aus der Provence, du hast gesagt, deine Mutter hat es nie ohne Orangenschale gekocht. Du hast gesagt, ich zitiere, dass es ohne Orangenschale bloß ein stinknormaler Rinderschmortopf ist. Oder hab ich mich da etwa verhört?«
    »Aber wir sind hier nicht in der Provence. Sondern in Amerika. Und die Amerikaner mögen keine Orangenschale in der Daube provençale. Ich hab’s einmal versucht und bin damit böse auf die Nase gefallen. Es hat nur so Beschwerden gehagelt.«
    »Ist ja in Ordnung«, sagte Spandau. »Ich hab auch gar keine ethischen Einwände gegen einen Rinderschmortopf auf deiner Karte, solange du das Kind beim Namen nennst und es nicht als Daube provençale ausgibst.«
    »Man muss es praktisch sehen. Du hast doch überhaupt keine Ahnung von der Haute Cuisine. Sie lebt, sie lässt mit sich spielen, passt sich an, und sie verändert sich. Das ist ja gerade das Schöne
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