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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann
Autoren: Haruki Murakami
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aus Spaß.« Sie richtet sich auf und schaut mich an. »Ich sage es dir zuliebe. Gibt es sonst noch jemanden, der etwas dir zuliebe sagt? Na? Sag schon, gibt es jemanden?«
    »Nein«, erwidere ich aufrichtig. Es gibt niemanden.
    Sie legt sich wieder hin und drückt ihre Brüste sanft an meine Seite. Ich streichele ihren Rücken. »Jedenfalls wird die Luft manchmal dünn wie auf dem Mond, wenn ich mit dir zusammen bin.«
    »Die Luft auf dem Mond ist nicht dünn«, erkläre ich ihr. »Auf der Mondoberfläche existiert überhaupt keine Luft. Deshalb …«
    »Sie ist aber dünn«, sagt sie leise. Ich bin mir nicht sicher, ob sie meine Bemerkung ignoriert oder einfach nicht gehört hat. Ihre leise Stimme macht mich nervös. Ich weiß nicht, wieso, aber etwas darin irritiert mich. »Manchmal wird sie plötzlich dünn. Als ob du eine ganz andere Luft atmest als ich. Ich merke das.«
    »Die Angaben sind unvollständig«, sage ich.
    »Willst du damit sagen, ich wüsste nichts über dich?«
    »Ich weiß ja nicht mal selbst gut über mich Bescheid«, erwidere ich. »Ehrlich! Das meine ich jetzt nicht im philosophischen Sinne, eher praktisch. Insgesamt sind die Angaben unvollständig.«
    »Aber du bist doch schon dreiunddreißig, oder?«, entgegnet sie. Sie selbst ist sechsundzwanzig.
    »Vierunddreißig«, verbessere ich. »Vierunddreißig Jahre und zwei Monate.«
    Sie schüttelt den Kopf. Dann steht sie auf, geht zum Fenster und zieht die Vorhänge auf. Draußen ist die Autobahn zu sehen. Über der Straße taucht weiß wie ein Knochen der morgendliche Sechs-Uhr-Mond auf. Sie trägt einen Pyjama von mir.
    »Kehr auf deinen Mond zurück«, sagt sie und deutet zum Himmel.
    »Ein bisschen kalt, was?«, sage ich.
    »Kalt? Auf dem Mond?«
    »Nein, dir. Es ist Februar.« Sie lehnt sich aus dem offenen Fenster und haucht ihren weißen Atem hinaus. Als ich sie darauf aufmerksam mache, beginnt sie sichtlich zu frieren.
    Sie kriecht schnell ins Bett zurück. Ich nehme sie in die Arme. Der Pyjama fühlt sich eiskalt an. Sie presst ihre Nasenspitze gegen meinen Hals. Auch die ist eiskalt. »Ich mag dich sehr«, sagt sie.
    Ich möchte antworten, finde jedoch nicht die richtigen Worte. Ich empfinde Zuneigung für sie. Im Bett kann ich wundervolle Stunden mit ihr verbringen. Mir gefällt es, ihren Körper zu wärmen und über ihr Haar zu streichen. Ihren sanften Atem beim Schlafen zu hören und sie morgens zu verabschieden, wenn sie zur Arbeit geht. Die von ihr – wie ich glaube – erstellte Telefonrechnung zu erhalten und sie in meinem großen Pyjama zu sehen. Doch wenn es darauf ankommt, etwas zu sagen, fehlen mir die passenden Worte. Natürlich kann ich nicht sagen, ich liebe dich. Und genauso wenig, ich mag dich.
    Wie soll ich es also ausdrücken?
    Jedenfalls bringe ich kein Wort über die Lippen. Mir fällt einfach nichts Passendes ein. Ich merke, dass es sie verletzt, wenn ich nichts sage. Sie versucht es zwar zu verbergen, aber ich merke es. Merke, wie es über ihre samtene Haut, über ihr Rückgrat läuft. Ganz deutlich. Wir liegen eine Weile eng umschlungen und schweigen. Hören Songs, deren Titel wir nicht kennen. Sie legt verstohlen ihre Hand auf meinen Schoß.
    »Du solltest eine Frau vom Mond heiraten und hübsche Mondkinder mit ihr zeugen«, sagt sie zärtlich. »Das wäre das Beste für dich.«
    Durch das offen stehende Fenster kann man den Mond sehen. Während ich sie umarme, blicke ich ihn unverwandt an. Hin und wieder donnert ein schwer beladener Fernlaster über die Autobahn. Es dröhnt unheilvoll wie eine berstende Eisscholle. Was transportieren die nur?, frage ich mich.
    »Gibt’s was zum Frühstück?«, erkundigt sie sich.
    »Das Übliche. Schinken, Eier, Toast. Außerdem gibt es noch einen Rest Kartoffelsalat von gestern Mittag. Und natürlich Kaffee. Ich mache dir Milch warm, für Café au lait«, sage ich.
    »Au prima!«, sagt sie lächelnd. »Du machst Eier mit Schinken, Kaffee und Toast für mich?«
    »Natürlich. Mit Vergnügen.«
    »Weißt du, was ich am liebsten mag?«, fragt sie mich. »Ehrlich gesagt, nein. Keine Ahnung.«
    »Also am liebsten mag ich Folgendes«, sagt sie und schaut mir dabei in die Augen. »Kalte Wintermorgen sind mir ein Greuel. Ich will dann gar nicht aus den Federn. Aber wenn ich den Kaffeeduft und die brutzelnden Eier mit Schinken rieche und das Schnappen des Toasters höre, bin ich nicht mehr zu bremsen und schwuppdiwupp aus dem Bett.«
    »Na schön. Probieren wir’s aus«, sage ich
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