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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber
Autoren: Mario Vargas Llosa
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seinen Sportkoffer und ging. Im Garten blieb er einen Augenblick stehen und klopfte Puck, dem treuen Terrier, der ihn mit herzlichem Gebell begrüßte, den Rücken.
    Der Sportclub Remigius lag nur einige Blocks weiter in der Calle Miguel Dasso, und Dr. Quinteros liebte es, zu Fuß dorthin zu gehen. Er ging langsam, erwiderte die Grüße der Nachbarn, sah in die Gärten der Häuser, die um diese Zeit gegossen und beschnitten waren, und hielt sich wie immer noch einen Augenblick in der Buchhandlung Castro Soto auf, um einige Bestseller auszusuchen. Obwohl es noch früh war, standen gegenüber vom Davory schon die nicht wegzudenkenden jungen Burschen mit den offenen Hemden und den strubbeligen Haaren. Sie saßen auf ihren Motorrädern oder auf den Kotflügeln ihrer Sportwagen, aßen Eis, alberten herum und besprachen die Pläne für den Abend. Sie grüßten ihn respektvoll, doch als er an ihnen vorbeigegangen war, wagte es einer, ihm einen jener Ratschläge nachzurufen, die sein tägliches Brot im Sportclub waren, einen dieser Witze über sein Alter und seinen Beruf, die er mit Geduld und guter Laune ertrug: »Strengen Sie sich nicht zu sehr an, Doktor, denken sie an Ihre Enkel.« Als er das hörte, mußte er daran denken, wie hübsch Elianita aussehen würde in ihrem Brautkleid aus dem Hause Dior in Paris. An diesem Morgen waren nicht viele Leute im Club. Nur Coco, der Trainer, und zwei fanatische Gewichtheber, der Schwarze Humilia und Perico Sarmiento, drei Muskelberge, die denen von zehn normalgebauten Männern gleichkamen. Sie mußten erst kurz vor ihm gekommen sein, sie waren noch beim Aufwärmen.
    »Aber da kommt ja der Klapperstorch.« Coco streckte ihm die Hand hin.
    »Immer noch aufrecht, trotz der Jahrhunderte?« grüßte ihn der Schwarze Humilia. Perico beschränkte sich darauf, mit der Zunge zu schnalzen und zwei Finger zu dem charakteristischen Gruß zu heben, den er aus Texas mitge bracht hatte. Dr. Quinteros mochte diese Formlosigkeit, die Vertraulichkeiten, die sich seine Sportsfreunde mit ihm herausnahmen, als ob die Tatsache, daß man sich nackt sah und gemeinsam schwitzte, sie zu einer Brüderlichkeit vereinte, in der alle Unterschiede des Alters und der gesellschaftlichen Position verschwanden. Er antwortete, er werde ihnen gern zur Verfügung stehen, falls sie ihn brauchen sollten; bei Schwindelanfällen und der ersten Übelkeit sollten sie zu ihm in die Praxis kommen, wo er mit einem Gummihandschuh schon bereitstehen werde, um ihnen ins Gemachte zu greifen. »Zieh dich um und mach ein bißchen warm up«, sagte Coco, der bereits wieder auf der Stelle hüpfte.
    »Wenn du einen Infarkt kriegst, stirbst du unter Garantie, mein Alter«, ermunterte ihn Perico und fiel in das Tempo von Coco ein.
    »Der Surfer ist drinnen«, hörte er den Schwarzen Humilia noch sagen, als er in den Umkleideraum trat.
    Und tatsächlich war da sein Neffe Richard in blauem Trainingsanzug und zog sich die Turnschuhe an. Er tat es lustlos, als wären seine Hände aus Lappen, sein Gesichts ausdruck war sauer und abwesend. Er sah ihn mit blauen, völlig blicklosen Augen und mit so vollkommener Gleichgültigkeit an, daß Dr. Quinteros sich fragte, ob er vielleicht unsichtbar sei. »Nur Verliebte sind so geistesabwesend.“ Er trat auf ihn zu und fuhr ihm durchs Haar. »Komm runter vom Mond, Neffe.« »Verzeih, Onkel.« Richard erwachte und wurde plötzlich rot, als hätte man ihn bei etwas Unanständigem überrascht. »Ich habe nachgedacht.«
    »Ich wüßte gern, über welche Schandtat«, lachte Dr. Quinteros, während er seinen Koffer öffnete, einen Schrank wählte und sich auszog. »Bei dir zu Haus muß es jetzt drunter und drüber gehen. Ist Elianita sehr aufgeregt?«
    Richard sah ihn mit einem plötzlichen Anflug von Haß an, und der Arzt fragte sich, was ist nur in den Jungen gefahren. Aber sein Neffe brachte mit einer gewaltigen Anstrengung, sich natürlich zu geben, eine Art Lächeln hervor: »Ja, drunter und drüber. Darum bin ich hergekommen, muß ein bißchen Fett verbrennen, bis es soweit ist.«
    Der Arzt dachte, er würde hinzufügen: »… aufs Schafott zu steigen«. Seine Stimme war rauh vor Traurigkeit, ebenso sein Gesichtsausdruck; die Ungeschicklichkeit, mit der er seine Schuhe zuband, und die brüsken Bewegungen seines Körpers zeigten Unbehagen, Beklommenheit und Unruhe. Er konnte die Augen nicht ruhig halten. Er öffnete sie, schloß sie, sah fest auf einen Punkt, wandte den Blick ab, sah wieder hin und wandte
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