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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber
Autoren: Mario Vargas Llosa
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ihn wieder ab, so als suche er etwas, das er unmöglich finden könne. Er war ein von der Natur herrlich ausgestatteter Bursche, ein junger von Wind und Wetter brünierter Gott – er surfte selbst in den feuchten Wintermonaten, war ein ausgezeichneter Basketball- und Tennisspieler, ein Schwimmer und Fußballspieler, dem der Sport einen Körper geformt hatte, den der Schwarze Humilia einen »Homotraum« nannte: kein Gramm Fett, ein breiter Rücken, der in einer glatten muskulösen Linie bis zu einer Wespentaille hinunterlief, lange, feste, flinke Beine, die den besten Boxer vor Neid erblassen ließen. Alberto de Quinteros hatte oft gehört, wie seine Tochter und ihre Freundinnen Richard mit Charlton Heston verglichen und meinten, er sei sogar noch toller und stelle Heston glatt in den Schatten. Richard studierte im ersten Jahr Architektur, und Roberto und Margarita, seine Eltern, sagten, er sei immer ein Musterknabe gewesen, fleißig, gehorsam, freundlich zu ihnen und zu seiner Schwester, gesund, sympathisch. Elianita und er waren ihm Lieblingsnichte und Lieblingsneffe, und darum tat es Dr. Quinteros leid, ihn so verwirrt zu sehen. Während er sich die Bandagen anlegte, den Trainingsanzug und die Turnschuhe anzog, wartete Richard neben den Duschen auf ihn und trommelte dabei auf die Kacheln.
    »Irgendein Problem, Junge?« fragte er ihn ganz obenhin mit gütigem Lächeln, »irgend etwas, wobei dein Onkel dir helfen kann?«
    »Nichts, wo denkst du hin«, antwortete Richard hastig und erglühte wieder wie ein Streichholz. »Mir geht es gut, ich freu mich richtig aufs Aufwärmen.«
    »Hat man deiner Schwester mein Geschenk gebracht?« erinnerte sich plötzlich der Arzt. »Die Firma Murgia hatte mir versprochen, es schon gestern zu bringen.« »Ein Wahnsinnsarmband.« Richard sprang jetzt über die weißen Fliesen des Umkleideraums. »Der Kleinen hat es sehr gefallen.«
    »Deine Tante kümmert sich sonst um solche Dinge, aber die zieht ja noch durch Europa, und ich mußte es selbst aussuchen. Elianita wird im Brautkleid wunderschön aussehen«, fügte Dr. Quinteros mit einer zärtlichen Geste hinzu. Die Tochter seines Bruder war als Frau, was Richard als Mann war, eine jener Schönheiten, die die Spezies veredeln und die Metaphern von den Mädchen mit den Perlzähnen, den Sternaugen, den Weizenhaaren und der Pfirsichhaut recht dürftig klingen lassen. Klein, dunkelhaarig, von sehr weißer Hautfarbe, reizend sogar in der Art, wie sie atmete, hatte sie ein Gesichtchen von so klassischen Linien, Züge, die von einem Miniaturmaler des Orients gezeichnet schienen. Sie war ein Jahr jünger als Richard und hatte gerade die Schule beendet. Ihr einziger Fehler war ihre Schüchternheit, die so übertrieben war, daß man sie zur großen Enttäuschung der Veranstalter nicht dazu hatte bewegen können, an der Wahl zur Miss Peru teilzunehmen, und niemand, auch nicht Dr. Quinteros, konnte begreifen, warum sie so früh heiratete und vor allem, warum gerade diesen jungen Mann. Obwohl der Rothaarige Antiinez einige Vorzüge hatte – er war ein guter Kerl, hatte das Examen für Business Administration der Universität von Chicago, erbte eine Düngemittelfirma und hatte einige Radrennpokale gewonnen –, war er doch unter den zahlreichen Burschen von Miraflores und San Isidro, die um Elianita geworben hatten und sogar ein Verbrechen begangen hätten, nur um sie heiraten zu können, zweifellos der farbloseste und (Dr. Quinteros schämte sich, daß er sich solch ein Urteil über denjenigen erlaubte, der in wenigen Stunden sein Neffe würde) der langweiligste und dümmste. »Du ziehst dich langsamer an als meine Mutter, Onkel«, schimpfte Richard, während er herumsprang. Als sie in die Turnhalle kamen, war Coco, dem Pädagogik mehr eine Berufung als ein Beruf war, gerade dabei, den Schwarzen Humilia über ein Axiom seiner Philosophie aufzuklären. Dabei deutete er auf seinen Leib:
    »Wenn du ißt, wenn du arbeitest, wenn du im Kino sitzt, wenn du dein Mädchen schiebst, wenn du rauchst, in jeder Lebenslage und, wenn du kannst, sogar im Sarg: zieh den Bauch ein!«
    Dann befahl er: »Zehn Minuten warm up, um das Skelett zu ermuntern, Methusalem.«
    Während er neben Richard seilsprang und spürte, wie eine wohlige Wärme sich in seinem Körper ausbreitete, dachte Dr. Quinteros, daß es doch eigentlich gar nicht so schlimm sei, fünfzig Jahre alt zu sein, wenn man sich so gut fühlte wie er. Wer unter seinen gleichaltrigen Freunden konnte einen
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