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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm
Autoren: Nancy Atherton
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wurde Wally von ihnen getötet, und James haben sie so sehr gequält, dass es jenseits meiner Vorstellungskraft liegt. Ich weiß, wie böse ihr auf jene beiden jungen Männer seid, hoffe aber, dass ihr einen Weg finden werdet, ihnen zu verzeihen. Denn sie selbst haben sich ihr Leben lang nicht verziehen.«
    Vom Herd ertönte ein Grummeln, als der Kohlenhaufen in sich zusammenfiel. Eine Petroleumlampe zischte. Wendys Blick war nicht mehr nach außen gerichtet, sondern nach innen, Jamie hingegen sah mich unverwandt an.
    »Du willst auf etwas Bestimmtes hinaus«, sagte er. »Worauf? Weißt du, wo die Parure versteckt war?«
    Ich nahm das braune Paket und langte nach meiner Jacke. »Zieht euch eure Parkas an und folgt mir.«
    Die Nacht war bitterkalt. Der Schnee knirschte unter unseren Stiefeln. Winzige Sterne blinkten am Firmament, und der aufsteigende Mond warf einen silbernen Glanz auf den Schnee, während wir im Gänsemarsch dem schmalen Pfad folgten, den Catchpole gepflügt hatte.
    »Seht ihr, wie der Mondschein die Nacht in Tag verwandelt?«, fragte ich leise. »Deshalb mussten sie warten, bis Neumond war, der Mond sich von seiner dunklen Seite zeigte. Das war Teil der Schatzsuche, Teil des Spiels. Sie mussten achtgeben, nicht von den Wachen erwischt zu werden, welche die Army aufgestellt hatte, um das Genesungsheim zu bewachen.«
    Wir gingen am Backhaus, dem Waschhaus, der Brauerei und den Ställen vorbei.
    »Catchpoles Cottage mussten sie gar nicht erst umgehen.« Ich senkte meine Stimme noch mehr, als die schneebedeckten Kiefern in Sicht kamen.
    »Mr Catchpole war im Krieg, Mrs Catchpole und ihr Sohn waren in Shropshire weiter im Norden, um auf der Farm der Familie zu helfen.
    Das Cottage war also verwaist.«
    Als der gepflügte Fußweg endete, führte ich sie weiter einen schneebedeckten Pfad entlang, der sich durch das Wäldchen zog, bis wir eine Lichtung erreichten. Dort, inmitten eines Kreises aus hellen Buchen, stand ein kleines Gebäude, das ebenso exzentrisch wirkte wie Ladythorne Abbey. Aus weißem Marmor erbaut, leuchtete es im Mondlicht wie ein quadratisches, überdachtes Zelt mit einem Eingang, der von zwei imposanten Statuen bewacht wurde, bei deren Anblick mich gruselte. Die beiden bedrohlichen Figuren in ihren Kapuzencapes standen einander an der schwarzen Öffnung gegenüber, die Köpfe gebeugt wie in ewiger Trauer.
    Jamie sah mich fragend an. »Im Mausoleum?«
    »Die Marmorschachtel«, sagte ich. »Lucasta hatte keine Erben. Ich vermute, sie wollte die Parure mit ins Grab nehmen.«
    Neben mir schnappte Jamie nach Luft. »Grabräuber«, flüsterte er. »Großer Gott, sie waren Grabräuber.«
    Bebend sog ich die Luft ein und spürte, wie Grauen in mir aufstieg. Auch wenn ich beabsichtigte, die Parure ihrer rechtmäßigen Besitzerin zurückzugeben, war ich mir nicht sicher, ob ich die Nerven hätte, ein zwei Jahre altes Grab zu öffnen.
    Der Schnee knirschte, als Wendy einen Schritt vorwärts machte, den Blick fest auf das Mausoleum gerichtet.
    »Sie waren jung und verstört«, sagte sie ruhig und wie als Antwort auf Jamies erschrockenes Geflüster. »Sie hatten die geschundenen Leiber ihrer Kameraden im Schlamm liegen sehen, wo es dem Regen überlassen war, sie zu begraben.«
    Sie deutete mit dem Stemmeisen zu dem glänzenden weißen Grabmal. »Nicht so wie hier, wo der Tod hübsch verpackt ist – wie hätten sie das Mausoleum ernst nehmen können? Es war nur ein weiterer Bestandteil des Bühnenbilds für ihr Spiel.« Sie ließ die Hand matt herabfallen.
    »Nach allem, was sie gesehen, nach allem, was sie mitgemacht hatten, musste es die reinste Freude gewesen sein, solche unschuldige Schauder zu empfinden wie bei diesem Anblick. So wie
    … wie wenn man sich als Kind Spukgeschichten erzählt, wohl wissend, dass Papa nicht weit entfernt ist und einen beschützt, wenn es nötig sein sollte. Dad wusste, dass er hier sicher war. Also konnte er es sich leisten, kindische Spiele zu spielen. Er musste keine Angst mehr haben.«
    Sie blinzelte heftig, ergriff mit beiden Händen das Stemmeisen und ging auf die klaffende Öffnung zwischen den beiden Statuen zu. Jamie folgte ihr, dann setzte auch ich mich in Bewegung, während ich meine Tränen wegblinzelte, ehe sie mir auf den Wangen gefroren. Es war das erste Mal, dass Wendy ihren Vater Dad genannt hatte.
    Als wir auf dem mondbeschienenen Pfad gegangen waren, hatten wir unsere Taschenlampen nicht gebraucht, doch jetzt, da wir zwischen den eingehüllten
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