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Tangenten

Tangenten

Titel: Tangenten
Autoren: Greg Bear
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alten Fraß –, aber ich schaff’s irgendwie, nur das zu essen, was ich brauche. Ich glaube nicht, daß sie schon wissen, was mein Gehirn ist. Sicher, sie haben den ganzen Drüsenkram im Griff, aber das Gesamtbild fehlt ihnen noch, wenn du verstehst, was ich meine. Sie wissen nicht, daß ich hier drin bin. Aber eins kann ich dir sagen, Mann, sie haben garantiert rausgekriegt, wozu meine Geschlechtsorgane da sind.«
    Ich warf einen Blick auf das Bild und schaute wieder weg.
    »Oh, die sehen ziemlich normal aus«, erklärte er und schob seinen Hodensack obszön vor. Er kicherte: »Aber was glaubst du denn, wie ich sonst so ’ne Klassefrau wie Candice an Land gezogen hätte? Sie war bloß auf eine heiße Nacht mit ’nem Techniker scharf. Ich sah damals ganz okay aus, nicht braun, aber gut in Form und gut in Schale. Sie hatte sich noch nie von ’nem Techniker ’ne Schraube reindrehen lassen. Kleiner Scherz am Rande. Aber meine kleinen Genies haben uns die halbe Nacht wachgehalten. Ich glaube, die haben jedesmal irgendwas verbessert. Ich fühlte mich, als ob ich gottverdammtes Fieber hätte.«
    Sein Lächeln erlosch. »Aber dann fing eines Abends meine Haut an zu jucken. Da bekam ich’s echt mit der Angst. Ich dachte, die Sache würde mir aus der Hand gleiten. Ich fragte mich, was sie tun würden, wenn sie die Schranke zwischen Blut und Gehirn überwinden und mich dort finden würden – wenn sie etwas über die wahre Funktion des Gehirns rausbekämen. Also startete ich einen Feldzug, um sie unter Kontrolle zu halten. Ich dachte, sie wollten in die Haut, weil es so einfach ist, Schaltsysteme auf einer Oberfläche zu betreiben. Viel einfacher, als zu versuchen, Kommunikationsketten in Muskeln, Organen und Blutgefäßen und drumherum aufrechtzuerhalten. Die Haut war viel direkter. Also kaufte ich mir eine Quarzlampe.« Er sah meine verwirrte Miene. »Im Labor spalteten wir das Protein in den Biochipzellen auf, indem wir sie ultraviolettem Licht aussetzten. Ich saß abwechselnd unter der Höhensonne und unter der Quarzlampe. Hält sie von meiner Haut fern, soweit ich’s beurteilen kann, und ich werde hübsch braun.«
    »Und du kriegst Hautkrebs«, warf ich ein.
    »Darum werden sie sich wahrscheinlich kümmern. Wie Polizisten.«
    »Okay. Ich hab dich untersucht, du hast mir eine Geschichte erzählt, die ich immer noch kaum glauben kann… was soll ich jetzt machen?«
    »Ich bin nicht so unbekümmert, wie ich tue, Edward. Ich mach mir Sorgen. Ich würde gern eine Möglichkeit finden, sie unter Kontrolle zu bekommen, bevor sie etwas über mein Gehirn rauskriegen. Ich meine, stell dir das vor, mittlerweile sind es Billionen, und jede ist klug. Sie kooperieren in gewissem Ausmaß. Ich bin wahrscheinlich das klügste Wesen auf dem Planeten, und sie haben noch nicht mal richtig angefangen, ihre Fähigkeiten zielbewußt einzusetzen. Ich will wirklich nicht, daß sie mich übernehmen.« Er ließ ein sehr unangenehmes Lachen hören. »Daß sie meine Seele stehlen, weißt du? Also überleg dir irgendeine Behandlung, um sie zu stoppen. Vielleicht können wir die kleinen Mistviecher aushungern. Denk einfach mal drüber nach!« Er schlüpfte in seine Jacke. »Ruf mich an.« Er gab mir einen Zettel mit seiner Adresse und seiner Telefonnummer. Dann ging er zur Tastatur und löschte das Bild auf dem Schirm sowie den Speicherinhalt über die Untersuchung. »Nur du«, sagte er. »Sonst vorläufig niemand. Und bitte… beeil dich!«
    Es war drei Uhr morgens, als Vergil den Untersuchungsraum verließ. Er hatte mir erlaubt, Blutproben zu nehmen, mir dann die Hand gegeben – seine war feucht und nervös – und mich gewarnt, ja nichts von den Proben in den Körper gelangen zu lassen.
    Bevor ich nach Hause ging, führte ich eine Reihe von Tests mit dem Blut durch. Die Ergebnisse lagen am nächsten Tag vor.
    Ich holte sie am Nachmittag während meiner Kaffeepause ab und vernichtete dann alle Proben. Dabei war ich wie ein Roboter. Ich brauchte fünf Tage und ebensoviele fast schlaflose Nächte, um das zu akzeptieren, was ich gesehen hatte. Sein Blut war durchaus normal, obwohl die Maschinen diagnostizierten, daß der Patient eine Infektion hatte. Ein hoher Leukozyten- und Histaminspiegel. Leukozyten sind die weißen Blutkörperchen. Am fünften Tag glaubte ich es.
    Gail war vor mir zu Hause, aber ich war mit dem Essenmachen dran. Sie steckte eine der Kindergarten-Disketten in unseren Home Computer und zeigte mir Videokunstwerke, die ihre
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