Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tangenten

Tangenten

Titel: Tangenten
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
strubbeligen Haaren und vorstehenden Zähnen gewesen, der Türklinken unter Strom setzte, uns Punsch zu trinken gab, von dem unsere Pisse blau wurde, und es nie schaffte, sich mit einem anderen Mädchen als Eileen Termagent zu verabreden, die äußerlich viel mit ihm gemeinsam hatte.
    »Du siehst phantastisch aus«, sagte ich. »Hast du den Sommer in Cabo San Lucas verbracht?«
    Wir stellten uns in der Schlange an der Theke an und suchten unser Essen aus. »Die Bräune stammt von drei Monaten unter der Höhensonne«, erwiderte er, während er eine Tüte Schokolademilch nahm. »Meine Zähne sind korrigiert worden, kurz nachdem wir uns zuletzt gesehen haben. Den Rest erkläre ich dir auch noch, aber wir brauchen einen Platz, wo wir miteinander reden können, ohne daß jemand so genau zuhört.«
    Ich steuerte ihn zur Raucherecke, wo sich drei unverbesserliche Qualmer an sechs Tischen verloren.
    »Hör mal, ich mein’s ernst«, sagte ich, als wir unsere Tabletts entluden. »Du hast dich verändert. Du siehst gut aus.«
    »Ich hab mich stärker verändert, als du ahnst.« Sein ominöser Ton war filmreif, und er zog dabei theatralisch die Augenbrauen hoch. »Wie geht’s Gail?«
    Gail ginge es gut, erzählte ich ihm; sie arbeitete im Kindergarten. Wir hatten im letzten Jahr geheiratet. Sein Blick senkte sich auf sein Essen – eine Ananasscheibe und Hüttenkäse, ein Stück Bananencremekuchen – und ihm versagte beinahe die Stimme, als er fragte: »Fällt dir noch was auf?«
    Ich kniff darauf konzentriert die Augen zusammen. »Nein.«
    »Schau genauer hin.«
    »Ich weiß nicht recht. Hm… ja, du trägst keine Brille mehr. Kontaktlinsen?«
    »Nein. Ich brauch sie nicht mehr.«
    »Und du bist flott angezogen. Wer kauft dir deine Sachen? Ich hoffe, sie hat genausoviel Sex wie Geschmack.«
    »Candice hat – hatte nichts mit der Verbesserung meiner Klamotten zu tun«, sagte er. »Ich hab einfach einen besseren Job und mehr Geld zum Rauswerfen gekriegt. Und mein Geschmack, was Kleidung angeht, ist nun mal besser als mein Geschmack in bezug auf Essen.« Er setzte sein altes zerknirschtes Grinsen auf, aber am Schluß entgleiste es ihm ganz merkwürdig. »Jedenfalls hat sie mich verlassen, und ich bin gefeuert worden. Jetzt lebe ich von meinen Ersparnissen.«
    »Augenblick mal«, sagte ich. »Das ist ein bißchen zu viel auf einmal. Warum erzählst du mir nicht alles schön der Reihe nach? Du hast einen Job gekriegt. Wo?«
    »Bei der Genetron Corporation«, sagte er. »Vor sechzehn Monaten.«
    »Noch nie was von denen gehört.«
    »Wirst du noch. Nächsten Monat geben sie Stammaktien aus. Die Dinger werden wie Raketen abgehen. Sie haben ihren Durchbruch mit MABs geschafft. Mit medizinisch…«
    »Ich weiß, was MABs sind«, unterbrach ich ihn. »Zumindest in der Theorie. Medizinisch anwendbare Biochips.«
    »Sie haben ein paar, die funktionieren.«
    »Was?« Jetzt war ich an der Reihe, die Brauen hochzuziehen.
    »Mikroskopisch kleine logische Schaltkreise. Man injiziert sie in den menschlichen Körper, und sie machen sich an der zugewiesenen Stelle ans Werk und bügeln Fehler aus. Mit Dr. Michael Bernards Zustimmung.«
    Das war ziemlich beeindruckend. Bernard hatte einen makellosen Ruf. Nicht nur, daß man ihn zu den Größen der Gentechnik rechnete, er hatte auch mindestens einmal pro Jahr mit seiner Arbeit als Neurochirurg Schlagzeilen gemacht, bevor er in den Ruhestand ging, und war auf den Titelbildern von Time, Mega und Rolling Stone gewesen.
    »Das ist eigentlich geheim – die Aktien, der Durchbruch, Bernard und alles.« Er sah sich um und senkte die Stimme. »Aber du kannst machen, was du willst, verdammt. Ich bin fertig mit den Scheißkerlen.«
    Ich pfiff. »Da kann ich reich werden, was?«
    »Wenn’s das ist, was du willst. Oder du kannst eine Weile hier bei mir bleiben, bevor du zu deinem Broker rennst.«
    »Natürlich.« Er hatte weder den Hüttenkäse noch den Kuchen angerührt, aber die Ananasscheibe gegessen und die Schokomilch getrunken. »Also, erzähl weiter.«
    »Na ja, während meines Medizinstudiums hatte ich mich auf Laborarbeit spezialisiert. Biochemische Forschung. Und ich hatte ja auch immer einen Hang zu Computern. So hab ich mich über die letzten beiden Jahre gerettet…«
    »Indem du Software-Pakete an Westinghouse verkauft hast«, beendete ich den Satz für ihn.
    »Schön, daß meine Freunde sich daran erinnern. Auf diese Weise bin ich mit Genetron in Kontakt gekommen, als sie gerade anfingen. Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher