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Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Titel: Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Autoren: Lynn Flewelling
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fühlte es sich schlagartig wärmer an.
    »So ist es besser.« Nari ergriff die Schale, ging damit zum Kohlenbecken und füllte sie mit der Brühe, die sie in einem Topf auf den Kohlen wärmte. »Hier, sieh zu, dass du davon etwas in den Magen bekommst. Du hast seit Tagen kaum gegessen.«
    Tobin schenkte dem Löffel keine Beachtung, sondern ergriff die Schale und trank daraus. Es war Köchins besondere Krankenbettbrühe, ein üppiges Gemisch aus Rindermark, Petersilie, Wein, Milch und Heilkräutern.
    Er leerte die Schale, und Nari füllte sie nach. Iya beugte sich hinab und hob die zu Boden gefallene Puppe auf. Sie setzte sie sich auf den Schoß, ordnete die ungleichmäßigen Arme und Beine und blickte nachdenklich in das grob gezeichnete Gesicht hinab.
    Tobin schnürte es die Kehle zu, und er senkte die Schale.
    Wie viele Male hatte er beobachtet, wie seine Mutter genau so dagesessen hatte? Neue Tränen füllten seine Augen. Sie hatte die Puppe angefertigt, um Bruders Geist in ihrer Nähe zu halten. Es war Bruder gewesen, den sie gesehen hatte, wenn sie die Puppe betrachtet hatte, Bruder, den sie festgehalten, den sie auf dem Schoß gewiegt, dem sie vorgesungen und den sie überall mit sich herumgetragen hatte, bis zu dem Tag, an dem sie sich aus dem Turmfenster stürzte.
    Immer Bruder.
    Nie Tobin.
    Weilte ihr zorniger Geist immer noch dort oben?
    Nari sah, wie er schauderte, und umarmte ihn erneut. Diesmal ließ Tobin sie gewähren.
    »Hat Euch wirklich Illior aufgetragen, das mit mir zu machen?«, flüsterte er.
    Traurig nickte Iya. »Der Lichtträger sprach zu mir durch das Orakel von Afra. Du weißt, was das ist, oder?«
    »Dasselbe Orakel, das König Thelátimos aufgetragen hat, seine Tochter zur ersten Königin auszurufen.«
    »Genau. Und jetzt braucht Skala wieder eine Königin, eine des wahren Blutes, die das Land heilt und verteidigt. Ich verspreche dir, eines Tages wirst du all das verstehen.«
    Nari hielt ihn ungebrochen fest und küsste ihn auf den Kopf. »Es galt, für deine Sicherheit zu sorgen, mein Liebling.«
    Der Gedanke ihrer Mittäterschaft schmerzte Tobin. Er entwand sich ihr, schob sich gegen die Kissen auf der anderen Seite des Bettes zurück und zog die Beine – lange Jungenbeine mit spitzen Knien – unter das Nachthemd. »Aber warum?« Tobin berührte die Narbe, dann erstarrte er und sog bestürzt die Luft ein. »Vaters Siegel und der Ring meiner Mutter! Ich hatte sie an einer Kette …«
    »Ich habe sie hier, mein Schatz. Ich habe sie für dich aufgehoben.« Nari holte die Kette aus der Tasche ihrer Schürze hervor und hielt sie ihm hin.
    Tobin umklammerte die Talismane mit der Hand. Das Siegel, ein schwarzer, in einen goldenen Ring eingesetzter Stein, wies das tief eingeschnitzte Eichensymbol von Atyion auf, jenes großen Landguts, das Tobin nun besaß, aber noch nie gesehen hatte.
    Der andere Ring war seiner Mutter Brautgeschenk von seinem Vater gewesen. Die Goldfassung war fein gearbeitet, ein Rund winziger Blätter, das einen Amethyst umschloss, der ein Relief der jugendlichen Umrisse seiner Eltern aufwies. Er hatte schon Stunden damit verbracht, das Bildnis zu betrachten; er selbst hatte seine Eltern nie so glücklich zusammen gesehen, wie sie darauf abgebildet waren.
    »Wo hast du das gefunden?«, erkundigte sich die Zauberin leise.
    »In einem Loch unter einem Baum.«
    »Unter welchem Baum?«
    »Einem abgestorbenen Kastanienbaum im Hinterhof des Hauses meiner Mutter in Ero.« Tobin schaute auf und stellte fest, dass sie ihn eingehend musterte. »Unter dem Baum in der Nähe der Sommerküche.«
    »Ah ja. Dort hat Arkoniel deinen Bruder beerdigt.«
    Und meine Mutter und Lhel haben ihn wieder ausgegraben, dachte Tobin. Vermutlich hat sie den Ring dabei verloren. »Wussten meine Eltern, was Ihr mit mir gemacht habt?«
    Er bemerkte den raschen, scharfen Blick, den Iya Nari zuwarf, bevor sie antwortete. »Ja. Sie wussten es.«
    Tobins Herz sank. »Sie haben es zugelassen?«
    »Bevor du geboren wurdest, hat dein Vater mich gebeten, dich zu beschützen. Er verstand die Worte des Orakels und fügte sich ihnen bedingungslos. Ich bin sicher, er hat dir von der Prophezeiung erzählt, die das Orakel König Thelátimos preisgab.«
    »Ja.«
    Iya schwieg einen Augenblick. »Mit deiner Mutter verhielt es sich anders. Sie war keine so starke Persönlichkeit, und die Geburt gestaltete sich sehr schwierig. Und sie kam nie über den Tod deines Bruders hinweg.«
    Tobin musste schwer schlucken, bevor er
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