Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Krone, war ein Mann, der wenig Kontakt zu anderen Menschen hielt. In seinem Haus arbeiteten ein Butler, eine Köchin, zwei Gärtner und zwei Boys, drei Hausmädchen und die Vorsteherin des gesamten Haushaltes, die sich stolz ›Hausdame‹ nannte. Alle waren getaufte und zivilisierte Papuas oder Mischlinge, nur der Butler war ein stocksteifer Engländer und ehemaliger Feldwebel eines Eliteregiments, der General Lambs bei einer unverhofften Truppenbesichtigung auffiel, weil er beim Exerzieren mit einer Donnerstimme schrie: »Kopf hoch – Brust raus – Arsch rein! Der Hinterkopf und die Arschbacken bilden eine gerade Linie …« Als Sir Anthony pensioniert wurde, setzte er durch, daß Herbert Cook, so hieß der Feldwebel, aus der Armee entlassen wurde und in seine Dienste trat.
    Mit diesen Menschen in seiner nächsten Umgebung hatte Lambs genug. Er besuchte keinen Club – außer dem Golfclub –, ging zu keiner privaten oder öffentlichen Einladung, saß dafür lieber in seinem Garten und las oder spielte mit Butler Herbert Schach, der dabei so klug war, den General dreimal gewinnen und dann einmal verlieren zu lassen, damit der Trick nicht auffiel. »Er ist ein mürrischer, verschlossener alter Herr!« sagte man über den General in Port Moresby. »Weiß der Teufel, was ihn so verbittert gemacht hat. Sein Leben war ja nun wirklich nicht langweilig. Und Sorgen hat er auch nicht.«
    Um so verwunderlicher war es, daß an diesem Abend Butler Herbert einen Tisch für zwei Personen gedeckt und eine Flasche Champagner hatte kalt stellen müssen. Sir Anthony hatte Besuch bekommen – nicht nur zum Abendessen, sondern auch über Nacht. Ein Fremdenzimmer war hergerichtet worden, nach acht Jahren schlief wieder ein Fremder im Haus. Butler Herbert war wie die Hausdame und das gesamte Personal äußerst verwundert, als der Besuch vom Flughafen abgeholt und von Sir Anthony vor der Haustür, was man überhaupt noch nicht gesehen hatte, empfangen wurde. Sogar mit einem Handkuß. Daß General Lambs galant sein konnte, hätte nie jemand geglaubt.
    »Und ich sage Ihnen nun zum zehntenmal: Es ist Wahnsinn. Absoluter Wahnsinn, Leonora!« rief Sir Anthony und warf seine Serviette auf den Teller. Sie hatten auf der Terrasse das Abendessen beendet, und Butler Herbert war im Salon damit beschäftigt, die Flasche Champagner formvollendet, ohne Korkenknall, zu öffnen. »Warum sehen Sie das nicht ein? Wo Geologen, Militärs, Geschäftemacher und sogar Missionare kapitulieren – und das will was heißen –, da wollen Sie als Frau etwas erreichen? Seien Sie doch vernünftig, bitte.«
    Dr. Leonora Patrik war das, was man eine attraktive Frau nennt. Nicht mit Hilfe von Make-up, künstlichen Wimpern, Lidschatten und Augenumrandungen und unter Zuhilfenahme von raffinierten Modellkleidern, sondern in ihrem naturfarbenen Baumwollrock und der Khakibluse, mit kurzgeschnittenen, welligen blonden Haaren und hellbraunen, bei schrägem Lichteinfall sogar grünlich schimmernden Augen war ihre natürliche Schönheit allen Kosmetikhilfen überlegen. Sie war mittelgroß, und man sah ihrem Körper an, daß er sportlich trainiert und zu großen Leistungen fähig war. In London, Paris, Hamburg und New York hatte sie Medizin studiert, hatte sich dann auf Tropenmedizin spezialisiert und in Hamburg promoviert. Nach dreijährigem Klinikum am Tropeninstitut in Hamburg war sie wieder nach New York gezogen und hatte sich zu einem Lehrgang gemeldet, der ein Überlebenstraining bot. Dazu war man nach Brasilien, nach Manaus am Amazonas, geflogen und hatte die Teilnehmer nach einer gründlichen theoretischen Ausbildung mit Fallschirmen über dem Amazonasurwald abgeworfen, in einem Gebiet nördlich des Rio Negro; hier lebten noch Indianerstämme, die mit den Weißen nur wenig in Berührung gekommen waren. Jeder der Teilnehmer hatte eine Erklärung unterschreiben müssen, daß er dieses Überlebenstraining auf eigene Gefahr auf sich nehme.
    Sie kamen alle zurück, fünf Männer und zwei Frauen, schlugen sich durch die Grüne Hölle, ernährten sich von Schlangen, Käfern, Würmern und Flußfischen, wurden von einem schwarzen Panther angegriffen, den sie mit Stockhieben und Peitschen aus Lianenschnüren vertrieben, sechs Wochen waren sie unterwegs durch Urwald, Riesenfarne und Sümpfe, und als sie wieder am Ufer des Rio Negro standen und mit einem Boot zurück nach Manaus fuhren, wußten sie, daß sie auf dieser Welt so schnell nichts mehr erschüttern konnte.
    »Erzählen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher