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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Flugzeug zurück und kam mit einem Gewehr zurück. Aus einer Pappschachtel schüttete er Ersatzmunition in die hohle Hand und steckte sie in die Tasche seiner Khakijacke.
    Grant lehnte am Rumpf der Maschine und beobachtete das Ufer. »Ich stifte drei Riesenkerzen für die Kirche«, sagte er, »wenn hier keine Wilden im Gebüsch hocken.«
    »Gäbe es hier Kopfjäger, hätten sie sich längst gezeigt. Ich habe darin Erfahrung, Steward. Ich habe es oft genug erlebt: Stärker als ihre Angst ist ihre Neugier. Hier ist etwas Geheimnisvolles, Donnerndes vom Himmel gefallen, und zwei unbekannte, weiße, menschenähnliche Wesen stehen vor dem Wunderding herum. Glauben Sie mir: Sie wären längst aus ihrem Versteck gekommen, um uns näher anzusehen.«
    »Sie haben wirklich recht, Professor«, sagte Grant mit plötzlich rauher Stimme. Er wandte sich um, zur Tür, wo sein Gürtel mit der Pistole neben dem Sitz lag. »Da sind sie schon.«
    »Wo?« Patrik fuhr herum und riß sein Gewehr in Anschlag.
    »Links vor Ihnen in den Mangroven.«
    Und dann kamen sie: kleine, schwarzbraune Gestalten, nackt, die Köpfe und die Körper mit roter, weißer, gelber und blauer Pflanzenfarbe bemalt, mit langen krausen Haaren und Stirnbändern aus Baumrinde, in denen bunte Vogelfedern staken. Geduckt schlichen sie aus dem Dschungel hervor, blieben im kniehohen Wasser des Flusses stehen und starrten hinüber zu dem fliegenden Dämon, der zu ihnen heruntergekommen war.
    Patrik hob die rechte Hand zum Gruß und machte einen Schritt vorwärts. Es war, als gäben die bemalten Wilden einen grunzenden Laut von sich, Bewegung kam in ihre Reihen, Bogen und Speere tauchten plötzlich auf.
    »Zurück ins Flugzeug!« schrie Grant und hechtete zu seiner Tür. Er riß sie in der richtigen Sekunde hinter sich zu, dann klickten auch schon die Pfeile gegen den Aluminiumrumpf.
    Patrik hatte unverschämtes Glück; ihn traf kein Pfeil. Aber bevor die Wilden neue auf die Sehnen ihrer Bogen legen konnten, rannte er um das Flugzeug herum und kletterte hinein.
    Grant wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. »Das mit dem Umzug nach Madang wird wohl doch nichts«, sagte er mit tonloser Stimme. »Professor, wir werden eine Menge von ihnen töten können, aber dann sind wir dran. Oder haben Sie genug Munition bei sich?«
    »Vierzig Schuß.«
    »Und ich zwanzig. Macht sechzig. Ein paarmal danebenschießen werden wir auch.« Grant starrte zu den bemalten Wilden hinüber, die nun begannen, durch den Fluß auf sie zuzuwaten. »Professor, lassen Sie uns eine Minute ganz still sein, bevor wir schießen. Ich möchte noch einmal an meine Frau und die Kinder denken …«
    In einem weiten Halbkreis kamen die kleinen bemalten Gestalten auf sie zu, und dann schwangen sie ihre Speere und heulten auf, und dieses Heulen erfüllte das ganze Tal und ließ das Blut in den Adern erstarren.

2
    Sir Anthony Lambs bewohnte ein weitläufiges weißes Haus im britischen Kolonialstil auf einer Anhöhe von Waigani, dem Stadtteil von Fort Moresby, in den man im Laufe der letzten Jahre viele Behörden verlegt hatte, weil der alte Verwaltungsstadtteil Konedobu an der Hafenbucht zu eng geworden war. Früher war Sir Anthony hier in den Hügeln fast allein gewesen, umgeben von einem Garten, den jeder Besucher bewunderte, einem Blumenmeer, in dem die weiße Villa wie ein Luxusschiff schwamm. Südlich des Hauses hatte er nur auf den Golfclub geblickt, dessen Anlage er für die schönste auf der Welt hielt und auf der er seine achtzehn Löcher spielte, bedächtig, ohne Ehrgeiz, über ein Handicap von achtundzwanzig zu kommen, wie er überhaupt alles, was ›ausartete‹, wie er es nannte, geradezu mit Verachtung strafte. Jetzt aber war alles um ihn herum zugebaut: Die Universität von Papua-Neuguinea hatte ein Gelände bezogen, größer als die Altstadt von Port Moresby, das Nationalmuseum war errichtet worden, der Premierminister hatte seine Residenz hierher verlegt, Behördenbauten und Beamtenwohnhäuser schossen empor und verringerten Sir Anthonys Aussicht in die Ferne, und wenn er abends auf der von Säulen gestützten, überdachten Terrasse saß, in einem der Korbsessel, wie man sie überall in ehemaligen britischen Kolonialgebieten antrifft, trauerte er den Zeiten nach, wo in seinem Garten die Ameisenigel herumhuschten oder bei Anbruch der Dämmerung die Baumkänguruhs und die Hallstrom-Dingos, eine Abart des Urhundes , um das Haus schlichen.
    Sir Anthony, pensionierter General der britischen
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