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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne
Autoren: Heinz G. Konsalik
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abgeschliffenen Steinen.
    »Es wird Bruch geben«, rief er zu Patrik hinüber. »Halten Sie sich fest, Professor, stemmen Sie die Beine gegen den Boden und ziehen Sie den Kopf zwischen die Schultern. Achtung, jetzt kracht es gleich …«
    Die Räder berührten die Wasseroberfläche, stießen gegen die Steine, ein wildes Schütteln durchfuhr die Maschine, sie wurde hochgeworfen, kippte aber nicht um, fiel zurück auf das Fahrgestell, ein Radgestänge brach mit einem Laut, der wie ein heller Aufschrei klang, dann klatschte sie in die Strömung, bohrte sich zwischen zwei große Steine und blieb dort wie eingeklemmt hängen.
    Patrik schlug mit der Stirn gegen die Frontscheibe, ohne sich zu verletzen, nur etwas benommen hing er in den Sicherheitsgurten und schüttelte sich dann wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt.
    Grant lehnte sich zurück und wischte sich mit beiden Händen über das schweißnasse Gesicht. »Wir leben«, sagte er dumpf.
    »Ist das nun ein Wunder oder nicht?« Patrik atmete ein paarmal tief durch.
    »Nein, fliegen muß man können.«
    »Und in zwei Monaten können Sie mit Frau und Kindern nach Madang ziehen.«
    »Vorausgesetzt, man findet uns hier. Allein kommen wir hier nicht wieder raus!« Grant stieß die Tür auf, sprang hinaus und stand neben dem großen, glatten, wie polierten Stein knietief im Fluß. Zu beiden Seiten ragten die Urwaldwände auf und kletterten die Berge hinauf. Am Flußrand hatten die Mangrovenbüsche eine undurchdringliche Dschungelwand gebildet. Ein Schwarm Paradiesvögel war aufgeschreckt in den dunstigen Himmel geflattert. Ihre farbenprächtigen Federn leuchteten.
    Auch Patrik stieg aus und hangelte sich um das schief liegende Flugzeug herum zu Grant hin. »Das ist ein merkwürdiges Gefühl«, sagte er.
    »Was?«
    »Daß wir hier die einzigen Menschen sind.«
    »Sind Sie so sicher?« Grant lauschte angestrengt, aber das quirlige Rauschen des Flusses verschluckte jeden anderen Ton.
    Patrik fuhr sich mit beiden gespreizten Händen durch das Haar. Obwohl er erst neunundvierzig Jahre alt war, überwog das Weiß im Hellbraun des Haars; es war lange nicht geschnitten worden und hing ihm bis auf die Schultern. Auch der gestutzte Bart war weiß und überwucherte ein von Sonne und Wind gegerbtes Gesicht. In dem scharfkantigen Schädel fielen die Augen auf. Sie waren von einem tiefen Blau und konnten in erregenden Situationen leuchten, als knipse Patrik von innen einen Scheinwerfer an. Auch jetzt leuchteten seine Augen, als er sich wie Grant umblickte, ein Gefangener in einer Welt, die noch nie ein Weißer betreten hatte. »Hier lebt keiner außer uns jetzt«, sagte er. »Steward, haben Sie Trinkwasser und etwas Eßbares an Bord?«
    »Zwei Flaschen Mineralwasser, zu essen nichts. Wir wollten ja in vier Stunden wieder im Camp sein. Dort braten sie heute abend ein Schweinchen am Spieß.«
    »Aber Waffen haben wir bei uns.«
    Grant schielte zu Patrik hinüber. Auch er trug einen schweren Revolver am Gürtel, der jetzt neben dem Pilotensitz auf dem Boden lag. Bei Flügen über das unbekannte Hochland nahm er immer eine Waffe mit, stets daran denkend, daß er einmal notlanden müßte und unbekannte Papuastämme ihn angriffen. Aber was waren schon ein Revolver oder ein Gewehr wert, wenn die Kopfjäger von allen Seiten angriffen und ihn mit einem Hagel von Giftpfeilen zudeckten. Selbst eine Gruppe schwer bewaffneter Polizisten, die einen Mörder im Dschungel jagen wollte, verschwand wie so manche Gruppe von Abenteurern und Missionaren, und sie hatten Maschinengewehre und automatische Waffen bei sich. »Was wollen Sie hier mit einer Waffe, Professor?« fragte er.
    »Einen Braten schießen.«
    »Dazu müßten Sie an Land gehen, durch den Ufersumpf. Und ob es hier Tiere gibt, ist auch unsicher.«
    »Sie wollen hier am Flugzeug bleiben?«
    »Auf jeden Fall.« Grant hielt sich am Gestänge der Maschine fest. »Die Strömung ist nicht stark genug, um es wegzureißen, und es ist verdammt rüttelfest eingeklemmt. Hier sind wir sicher, halbwegs sicher. Was da drüben ist«, er stieß mit dem Kinn in Richtung des rechten Ufers, »wissen wir nicht. Es kann sein, daß uns jetzt schon hundert Augen beobachten.«
    »Hier kann niemand leben. Auch die primitivsten Stamme bauen ihre Dörfer auf Lichtungen, roden den Boden, legen Felder an – haben Sie aus der Luft so etwas in dieser Gegend gesehen? Und wo keine Menschen sind – die grausamsten Feinde –, gibt es noch genug Tiere.«
    Patrik kletterte ins
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