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Tagebuch der Lust

Tagebuch der Lust

Titel: Tagebuch der Lust
Autoren: Ava Pink
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gefiel mir und war genau das, was ich jetzt brauchte, nach den zwei unendlich langen und schweigsamen Tagen mit ihrem Vater. Wenn sie erzählte, blitzten ihre blauen Puppenaugen wie die eines Kindes und ihr herzliches, glockenhelles Lachen erfüllte den Raum.
    „Ich bin so glücklich, dass wir jetzt eine Familie sind“, meinte sie aufrichtig. „Jethro und ich werden dir helfen, dich hier einzugewöhnen. Es wird nicht so schlimm werden mit Pa, er ist meistens sowieso nicht zu Hause.“ Sie stutzte kurz und sah mich verlegen an.
    „Wie meinst du das?“, wollte ich wissen.
    „Na ja“, druckste Alisha herum und nestelte an ihrem Kleid. „Ich weiß, wie mein Vater sein kann. Er ist streng, sehr streng und neigt zuweilen zu Wutausbrüchen. Aber vertrau mir, wir werden dafür sorgen, dass er dir nichts tut.“
    Mir war, als hätte mir jemand eine Faust in den Magen gerammt. Eine eisige Hand umklammerte mein Herz und drückte es zusammen, dass mir fast die Luft weg blieb.
    „Soll das heißen, er schlägt euch?“, flüsterte ich.
    Alisha wurde rot und vermochte nicht, mir in die Augen zu sehen.
    „Mich nicht“, sagte sie leise. „Aber Sarah, meine Schwester, hat er halb tot geprügelt, als sie sich mit dem Sohn des Kutschers einließ. Sie ist mit ihm durchgebrannt, und wir haben seitdem nichts mehr von ihr gehört, weil Vater uns den Kontakt verbietet. Jethro hat sich auch des Öfteren eine Ohrfeige eingehandelt, als er noch jünger war. Wenn du schnell schwanger wirst, wird er dich nicht anfassen, glaub mir.“
    „Alisha“, rief ich aufgebracht. „Warum seit ihr noch hier? Warum bist du nicht einfach mit Jethro davongelaufen? Ich kann unmöglich so leben.“
    „Bitte, Victoria, sag nichts. Ich hätte dir das gar nicht erzählen sollen“, flehte sie und ergriff meine Hände. „Seit Mutters Tod ist er vergrämt und wird sich wieder ändern, wenn du ihn liebst. Bitte geh nicht.“
    „Wie kann ich einen solchen Menschen lieben?“, wisperte ich. „Du verlangst Unmögliches von mir.“ Doch als ich in ihre feuchten, bittenden Augen blickte, gab ich nach. „Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber sollte er mich auch nur ein einziges Mal schlagen, verschwinde ich.“
    Alisha nickte beruhigt.
    „Wir passen auf dich auf“, versprach sie, doch ich wusste, dass die Geschwister nicht immer zur Stelle sein würden, um mich zu schützen.
    Nach Alishas Geständnis fühlte ich mich, sofern dies überhaupt möglich war, noch schlechter als vorher. Ich beschloss, meiner Mutter zu schreiben und ihr zu schildern, was Alisha mir erzählt hatte. Mein Vater hätte nie im Leben eingewilligt, dass ich einen Mann heiratete, der mich schlug. Außerdem hatten Caleb und ich noch nicht die Ehe vollzogen, was bedeutete, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt noch jedes Recht hatte, einfach davonzulaufen. Doch ich ahnte bereits, dass mein jungfräulicher Zustand sich noch in dieser Nacht ändern würde.
    Nachdem Alisha gegangen war, bekam ich Gelegenheit, mich etwas auszuruhen. Es fiel mir schwer, mich in dieser ungewohnten Umgebung zu entspannen, zumal ich die kommende Nacht fürchtete. Ich versuchte mir einzureden, dass Caleb darauf verzichtete, mich zu schlagen, denn er wollte ja eine Vorzeigeehefrau, was mit blauen Flecken an meinem Körper schwerlich durchführbar war. Vielleicht hatte Alisha Recht, und Caleb war wirklich nur krank vor Gram wegen des Verlustes seiner ersten Frau. Ich war von meinen Eltern zur Bescheidenheit, Großzügigkeit und Güte erzogen worden. Eventuell, so dachte ich mir, halfen mir diese Eigenschaften jetzt, einen Platz in Calebs Herz zu finden. Bis jetzt mangelte es mir an nichts. Das Schlafzimmer, welches ich nun mein Eigen nannte, war ganz und gar auf die Bedürfnisse einer Frau ausgerichtet. Auch wenn ich etwas seltsam fand, dass wir getrennte Schlafzimmer bewohnten, wenngleich ich froh war, einen Rückzugsort für mich zu haben.
    „Es wird schon alles gut werden“, murmelte ich und schloss die Augen. Ich war von den Strapazen der Reise so erledigt, dass ich in einen leichten Schlaf fiel.
    Leises Klopfen an meine Zimmertüre weckte mich. Im ersten Moment dachte ich, es wären meine Mutter oder Nissie, mein Dienstmädchen. Doch als auch mein Gehirn wach war, fiel mir ein, wo ich mich befand.
    „Herein“, rief ich schlaftrunken und setzte mich auf.
    Ein schüchternes, schwarzes Mädchen trat ein und knickste, ehe sie stotterte:
    „Der Herr wünscht, dass ich Ihnen beim Umziehen helfe. Das Abendessen
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