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Tagebuch der Lust

Tagebuch der Lust

Titel: Tagebuch der Lust
Autoren: Ava Pink
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verschwand. Von jetzt an war ich auf mich allein gestellt. Mit einem Mann neben mir, den ich kaum kannte und dem ich egal war. Scheu blickte ich in seine Richtung und zwang mich zu einem Lächeln. Ich brauchte einen neuen Verbündeten und da Caleb mein Ehemann war, lag es nahe, dass er es sein würde. Ich musste es wenigstens versuchen.
    „Ich freue mich darauf, Ihre Plantage zu sehen, Mister Sheldon“, begann ich ein Gespräch. „Ich werde mich bemühen, Ihnen eine gute Ehefrau zu sein.“
    „Nenn' mich Caleb“, erwiderte er barsch und sah mich wieder mit diesem undurchdringlichen Blick an, der mir einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. „Wenn du tust, was ich sage, wirst du eine gute Ehefrau sein. Ich dulde es nicht, dass du mir Wiederworte gibst und dich in Dinge einmischt, die dich nichts angehen. Du wirst den Haushalt leiten und dich um unsere Kinder kümmern. Von meinen Geschäften weißt du nichts, und es wird dich auch nichts angehen. Wir werden des Öfteren nach Washington reisen, also sieh zu, dass du an deinen Umgangsformen arbeitest. Ich will nicht, dass jemand denkt, ich hätte eine ungebildete Landpomeranze geheiratet. Hast du das verstanden?“
    Ich nickte schockiert. Caleb hegte nicht die geringste Zuneigung für mich. Was auch immer für ein Funken Hoffnung in mir geschlummert hatte, er war abgestorben. Er würde niemals mein Freund werden, geschweige denn der Mann, den ich lieben konnte. Caleb war ein Widerling und ich ihm mit Haut und Haaren ausgeliefert.
    Die Fahrt dauerte zwei Tage, bis wir endlich unser Ziel erreichten. Zwei Tage, in denen wir nicht miteinander sprachen und ich mir überlegte, wie ich den Rest meines Lebens so verbringen könnte. Als ich mein neues Heim erblickte, war ich sprachlos. Das Haus meiner Familie war schon groß, doch Calebs glich einem Palast. Er war der uneingeschränkte König von Atlanta, daran gab es keinen Zweifel. Ein schwarzer Diener in feinster Uniform kam herbei gelaufen und half mir aus der Kutsche. Auf der Eingangstreppe standen weitere Sklaven, ebenso zwei von Calebs Kindern. Wobei Kinder das falsche Wort war, denn sein Sohn war drei Jahre älter als ich und die Tochter mit ihren siebzehn Jahren bereits verlobt. Die andere Tochter war verheiratet und lebte in Missouri.
    Die Diener knicksten, als ich an ihnen vorbeilief, und Calebs Kinder lächelten mir zu. Im Gegensatz zu ihrem Vater versprühten sie eine aufrichtige Wärme, und ich fühlte mich nicht mehr ganz so schlecht. Sie wurden mir als Alisha und Jethro vorgestellt. Alisha nahm mich freundschaftlich in den Arm und drückte mich.
    „Wie schön, dass du endlich da bist, Victoria“, sagte sie begeistert. „Ich hoffe, wir werden Freundinnen.“
    Mir fiel ein Stein vom Herzen. Vielleicht würde ich doch noch Verbündete finden. Jethro reichte mir die Hand, als Alisha endlich beschloss, mich wieder frei zu lassen. Als sich unsere Hände berührten und unsere Blicke sich trafen, durchzuckte mich ein Schlag wie der eines Blitzes. In seinen blauen Augen lag ein amüsiertes Funkeln, und seine hübschen, vollen Lippen verzogen sich zu einem herzlichen Lächeln.
    „Willkommen, Victoria“, sagte er und seine Stimme klang warm und rauchig.
    Für einen kurzen Moment wurde mir schwindelig, und ich spürte, wie Jethro den Druck seiner Hand verstärkte. Ich fühlte seine Wärme durch den Handschuh, den ich trug, und hätte ewig dort auf der Treppe stehen und sein Gesicht betrachten können. Dass Alisha und Jethro tatsächlich leibliche Nachkommen von Caleb sein sollten, war mir ein Rätsel. Sie hatten wahrscheinlich alles Gute von ihrer verstorbenen Mutter geerbt, denn von Caleb sah ich wenig in ihnen. Und Jethro … Das kam davon, wenn man einen Mann heiratete, den man nicht kannte, denn hätte ich vorher gewusst, dass Caleb einen Sohn wie Jethro hatte, hätte ich nie zugestimmt. Noch ehe ich mir weitere Gedanken machen konnte, schob Caleb mich unsanft ins Haus und ließ mich von einem Dienstmädchen auf mein Zimmer führen. Alisha hopste neben mir her, als wir die Treppe hinaufgingen, und überhäufte mich mit Fragen. Ich sah mich noch einmal verstohlen um und erhaschte Jethros Blick. Unwillkürlich musste ich lächeln. Es erging ihm also genauso wie mir.
    Mit dieser ersten, kurzen Begegnung mit Jethro Sheldon sollte sich eines Tages mein Leben ändern. Wie sehr, wusste ich bis dato noch nicht.

Kapitel 3
    Alisha blieb den ganzen Nachmittag bei mir und plapperte unentwegt. Ihre erfrischende Art
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