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Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)

Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)

Titel: Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Nikolai M. Jakobi
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der Schatten war immer genau vor ihm. Es begann ein wilder Kampf, der eigentlich mehr ein Wettlauf war, doch Radiks immer lauter werdendes Lachen verriet, dass er den Gegner nicht allzu ernst nahm. Schließlich schlug er einen Haken und stand nun in Richtung des Mondes, was den Schatten sofort aus seinem Blick verschwinden ließ.
    Triumphierend riss er die Arme hoch und rief: "Die Feinde sind besiegt!"
    Anschließend schritt er weiter durch das hohe, feuchte Gras, wobei er sein "Schwert" zufrieden schulterte.
    Der Wind säuselte, als Radik sich dem kleinen Wäldchen näherte. In einiger Entfernung blieb er stehen und lauschte, denn von irgendwo klang es wie eine Stimme. Radik machte sich selber Mut, indem er mit dem Ast ein paar Mal in die Luft hieb. Wieder vernahm er das Geräusch, das wie ein Lachen klang, ganz genau wie das Kichern eines Mädchens.
    Er war verdutzt; in der Nacht würde hier doch bestimmt kein Mädchen im Wald umherlaufen. Diese Gewissheit ließ langsam Furcht in ihm aufkommen und er bekam eine Gänsehaut. Als auch noch ein Rascheln einsetzte, das sich deutlich von dem der windbewegten Blätter unterschied, und gar näher zu kommen schien, wurde aus der Furcht eine den ganzen Körper durchdringende Angst.
    Radik erinnerte sich an die Schauermärchen, die seine Mutter ihm als Kind erzählt hatte und vor allem daran, dass er nur ein Junge mit einem Holzstock war und kein starker Krieger mit einem Schwert. Er dachte an die Geschichte vom geheimnisvollen Jäger, der nachts durch Felder und Wälder streifen soll, für Recht und Ordnung sorgte und insbesondere Räubern nachstellte. Nun war Radik zwar kein Räuber, aber was hatte er hier mitten in der Nacht zu suchen. Rechtschaffene Leute schliefen jetzt und Radik war nicht wohl bei dem Gedanken, einem der Geister zu begegnen, an die er bei Tageslicht natürlich nicht glaubte, aber jetzt war es eben Nacht und da sah die Sache schon ganz anders aus.
    Langsam drehte er sich um und ging, zunächst ohne große Hast, den Weg zurück, wobei er sich des Öfteren umsah. Dann wurden die Schritte größer und schneller und schließlich begann Radik zu rennen. Diesmal war ihm sein Schatten völlig egal, den Ast hatte er längst weggeworfen und er verlangsamte das Tempo erst, als er die Hütten des Dorfes erkannte, hinter denen eine deutlich zunehmende Helligkeit den Morgen ankündigte.
     
     

Kaltes Grauen

    "Nun komm´ endlich! Na, wenn ich gewusst hätte, dass du so trödelst, hätte ich dich gar nicht erst mitgenommen!"
    "Ich trödle ja überhaupt nicht, ich bin viel schneller als du!", rief Radiks kleine Schwester und lief durch den tiefen Schnee, der ihr bis über die Knie reichte, an ihm vorbei, "Versuch doch mal, mich zu fangen – du kriegst mich nicht!"
    Radik lief ihr spielerisch hinterher, so als ob er sie ernsthaft einholen wollte, in der Hoffnung, sie ein wenig vor sich herzutreiben, um endlich schneller voranzukommen. Rusawa lief hinter einen kleinen Baum, versteckte sich und als ihr Bruder mit ausgebreiteten Armen angestapft kam, "Jetzt hab´ ich dich!", ließ sie ihm einen kleinen dick mit Schnee beladenen Zweig ins Gesicht klatschen und lief vor Freude kreischend davon.
    Das war genug, jetzt hatte er endgültig die Nase voll von ihren Albernheiten.
    "So, ich gehe jetzt und warte nicht mehr auf dich! Komm lieber mit, sonst holt dich noch der Waldgeist!"
    "Der Waldgeist kriegt mich nicht, der ist genauso eine lahme Ente wie du!", hörte er sie rufen, aber aus den Augenwinkeln sah er, dass sie ihm, sich von Deckung zu Deckung pirschend, folgte.
    Seit einigen Wochen hielt der Winter alles in seinem eisigen Griff. Es gab zwar keine Schneestürme, nur hin und wieder fielen dicke Daunenfederflocken fast senkrecht auf die Erde, aber es war so kalt wie schon seit Jahren nicht mehr und nichts deutete darauf hin, dass der nun schon so lange anhaltende Frost in nächster Zeit an Kraft verlieren sollte.
    Das Wasser an den Ufern rings um Rügen war gefroren, sogar vom Kap im Norden aus sah man nichts als Eis. Ans Fischen war nicht zu denken und so widmeten sich alle den zahlreichen anderen über das Jahr angefallenen Arbeiten. Die Männer reparierten Boote und stellten neue Netze und Reusen her, während die Frauen Leinentücher webten oder Alltagsgeschirr töpferten. Fässer und Kisten stellte der Böttcher her und zu diesem war Radik unterwegs.
    Der Böttcher wohnte in einem Dorf etwas abseits von Vitt. Doch im Winter konnte man den Weg über die zugefrorenen
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