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SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)

SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)

Titel: SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
Autoren: David J. Dives
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verdammte Schnee! Hört denn das nie auf?
    Der schwarze Mercedes ließ die letzten Gebäude von Karuizawa hinter sich und pflügte durch die weißen Massen auf der Hauptstraße. Weit und breit war kein Winterdienst zu sehen. Takeda legte die wenigen Kilometer bis zu seinem Ziel zwangsläufig in gemächlichem Tempo zurück.  
    Es dauerte eine Viertelstunde, bis er die gepanzerte Limousine von der Überlandstraße weg in die Abzweigung einlenkte, welche sich in einem ausgedehnten Waldstück befand. Ein massives Tor kam in Sicht. Die beiden Sicherheitsleute traten heran. Takeda hob die Hand an die Stirn zum Gruß. Das Tor glitt zur Seite. Takeda trat auf das Gaspedal.
    Der letzte Rest des Weges war etwas weniger beschwerlich. Die Baumkronen ließen einen Teil des Schnees gar nicht erst zu Boden kommen. Die Zufahrt zu Takashi Kimuras Wochenendresidenz war mit anthrazitfarbenen Kieselsteinen ausgelegt. Sie führte ein paar hundert Meter vom bewachten Eingangstor zur Lichtung mit dem eleganten Bauwerk.
    Takeda parkte den Wagen vor dem prachtvollen Anwesen. Ein Schwall von Frostluft pfiff ihm um die Ohren, als er ausstieg. Es war still bis auf das Rascheln des Windes in den Baumkronen. Takeda sah sich fröstelnd um.  
    Der späte Wintereinbruch verlieh dem Ort das Antlitz eines futuristischen Märchens. Die Architektur des Gebäudes, dessen organische Form an einen Science-Fiction-Film erinnerte, hatte mehrere internationale Preise gewonnen. Ohne dabei den Namen des Besitzers preiszugeben. Takeda interessierte sich nicht besonders für Architekturwettbewerbe. Aber auch er konnte sich der nahezu magischen Ausstrahlung des Hauses nicht vollends entziehen.Das Gebäude wirkte trotz seiner eindrucksvollen Dimensionen wie ein sanft auf die Lichtung gelegtes Kunstwerk aus Papier.
    Die beiden parallel gebauten Wohntrakte muteten von außen wie zwei längliche breite Teigrollen an, gefüllt mit hohen Räumen und pikfeinen Möbeln. Sie waren an beiden Enden durch großzügige Glasfronten begrenzt. Ein geschwungener Mittelbau verband die beiden Teile.  
    Takeda ging durch den runden Innenhof zwischen den gewölbten Betonwänden und betrat den Holzboden. Er sah zu der an dieser Stelle aufragenden Birke auf und betrachtete den oberen Balkon.
    Alles ruhig. Zu ruhig. Ich brauche einen heißen Tee. Und einen Happen zu essen. Aber erst muss ich dieses ungute Gefühl loswerden.
    Takeda marschierte um das Haus herum und betrat das Entree. Es war keiner zu sehen. Er rief ein paar Mal nach dem Personal, niemand antwortete.
    Eigentlich müssten die Bediensteten bei der Arbeit sein. Was ist hier los?
    Die Balkontür zur Terrasse des östlichen Gebäudeteils war einen Spalt weit geöffnet. Draußen saß eine Gestalt, den Kopf nach vorn auf die Brust geneigt. Auf dem Haupt hatte sich eine feine Schicht Schnee angesammelt.  
    Oh nein!
    Takeda sprintete zur Glasfront. Er packte den Griff der schweren hohen Schiebetür und schob sie mit einem wuchtigen Stoß zur Seite. Er war für einen Japaner außergewöhnlich großgewachsen und kräftig. Er rannte zum sitzenden Mann, neigte sich ruckartig hinunter und griff nach dessen Schulter.
    Ein roter Tropfen kullerte unter dem Ärmel des edlen Kimonos hervor, in welchen der Sitzende gekleidet war. Den Handrücken entlang, über die Gelenke des Zeigefingers, und weiter bis zum Fingernagel bewegte sich die Blutperle. Sie hinterließ eine feine purpurne Spur und verlieh so der blassen, feingliedrigen Hand einen eigenartig schönen Schmuck – ein glänzendes Band wie aus feinster roter Seide. Eine zweite rote Perle bahnte sich ihren Weg an der Spur entlang. Sie tropfte von der nach unten zeigenden Fingerspitze in den Schnee.  
    Die Luft roch eisig. Nach Winter und nach Tod.
    Takeda fröstelte. Tränen traten in seine Augen. Sein Blick wanderte entlang des Kimono-Ärmels nach oben. Im feinen hellen Seidenstoff über der linken Brust des schmächtigen sitzenden Mannes klaffte ein drei Finger breites Loch. Neben dem rechten Arm, welcher wie der linke herabhing und mit kunstvollen Tätowierungen bedeckt war, lag auf dem Edelholzparkett eine ausgeleerte Tasse Grüntee. Sie war in einer bernsteinfarbenen, von roten Spritzern durchsetzten Pfütze am Boden angefroren.  
    Takeda fühlte den Puls am Hals seines Schutzbefohlenen.  
    Nichts!
    Der Körper war im Sessel zusammengesackt und stark abgekühlt. Auf Höhe des linken Lungenflügels am Rücken klaffte eine zweite, etwas breitere Wunde. Die Kugel hatte den
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