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Suesses Gift Der Liebe

Suesses Gift Der Liebe

Titel: Suesses Gift Der Liebe
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Sie konnte es ihnen nicht verdenken. Als skandalumwitterte Frau, die in Verbindung mit einem schockierenden Mord von der Presse durch den Schmutz gezogen worden war, wurde sie von der guten Gesellschaft konsequent geschnitten.
    »Ich fasse es nicht!«, rief die attraktive, frisch gebackene Witwe aus. »Inspektor Spellar, wie können Sie es wagen, uns diese Frau ins Haus zu bringen?«
    »Es wird nur einen Moment in Anspruch nehmen«, gab Spellar zurück. Er neigte den Kopf Lucinda zu. »Wären Sie so gut, mir Ihre Meinung mitzuteilen?«
    Lucinda behielt ihre kühle, gefasste Miene mit einiger Mühe bei. Später würden die Familienmitglieder zweifellos unter Freunden und Bekannten verbreiten, sie hätte so
gewirkt, wie Zeitungen und Groschenblätter sie geschildert hatten, nämlich eiskalt.
    Tatsächlich war ihr allein der Gedanke an das Bevorstehende absolut zuwider. Viel lieber wäre sie zu Hause in ihrem Gewächshaus gewesen, eingehüllt von den Düften, Farben und der Energie ihrer geliebten Pflanzen. Doch aus irgendeinem ihr unerklärlichen Grund fühlte sie sich dennoch zu den Aufgaben hingezogen, die sie gelegentlich für Spellar erledigte.
    »Aber gewiss, Inspektor«, sagte sie. »Deswegen bin ich schließlich hier. Dass ich nicht zum Tee eingeladen wurde, steht wohl mit Sicherheit fest.«
    Die Schwester der Witwe, eine streng aussehende alte Jungfer, die als Hannah Rathbone vorgestellt worden war, schnappte hörbar nach Luft.
    »Unerhört«, stieß Hannah hervor. »Wo bleibt Ihr Gefühl für Anstand, Miss Bromley? Ein Gentleman ist tot. Sich dem Anlass entsprechend zu benehmen und dieses Haus rasch wieder zu verlassen, ist das Mindeste, was Sie tun können.«
    Spellars vielsagender Blick gab Lucinda zu verstehen, sie möge ihre Zunge hüten. Seufzend fügte sie sich. Seine Ermittlungen zu gefährden, war das Allerletzte, was sie wollte, da er sich dann sehr gut überlegen würde, weiterhin ihren Rat zu suchen.
    Auf den ersten Blick hätte kaum jemand Spellars Beruf erraten. Seine rundliche Statur ließ ihn gutmütig und freundlich erscheinen. Ein buschiger Schnurrbart und ein schütterer grauer Haarkranz lenkten von der klaren, scharfsichtigen Intelligenz seiner blaugrauen Augen ab.
    Wer ihn nicht gut kannte, konnte nicht ahnen, dass er ein
ausgeprägtes Talent dafür besaß, am Tatort eines Mordes auch die kleinste Spur wahrzunehmen, eine Gabe, die jedoch begrenzt war. So konnte er nur die offenkundigsten Fälle von Vergiftungen erkennen.
    Fairburns Leichnam lag in der Mitte des riesigen, floral gemusterten Teppichs. Spellar trat vor und bückte sich, um das Laken wegzuziehen, das man über den Toten gebreitet hatte.
    Lady Fairburn brach wieder in einen Tränenschwall aus. »Ist das wirklich nötig?«, fragte sie mit gebrochener Stimme.
    Hannah Rathbone nahm sie in die Arme.
    »Schon gut, Annie«, flüsterte sie ihr zu. »Beruhige dich. Du weißt, dass du deinen Nerven nicht zu viel zumuten darfst.«
    Hamilton Fairburn, das dritte anwesende Familienmitglied, legte sein gut geschnittenes Gesicht in ernste Falten. Der gut aussehende junge Mann Mitte zwanzig war Fairburns Sohn aus einer früheren Ehe. Laut Spellar war es Hamilton gewesen, der darauf bestanden hatte, Scotland Yard zu Rate zu ziehen. Als Fairburn aber Lucindas Namen erkannte, war er sichtlich fassungslos gewesen. Er hätte ihr den Zutritt ins Haus verwehren können, hatte es aber nicht getan. Er wollte, dass es mit den Ermittlungen voranging, dachte sie, auch wenn dies bedeutete, eine übel beleumundete Person in seinem Haus dulden zu müssen.
    Sie ging näher an den Leichnam heran, auf jene Empfindungen gefasst, die eine Begegnung mit dem Tod unweigerlich weckte. Nichts aber hätte sie auf das Gefühl der Desorientierung und völligen Leere vorbereiten können, das sie
erfasste, als sie auf die Gestalt auf dem Boden hinunterblickte. Wer und was immer Fairburn zu Lebzeiten gewesen sein mochte, die Essenz seines Wesens hatte sich verflüchtigt.
    Sie wusste jedoch, dass Beweisspuren, die Hinweise auf die Art seines Todes liefern konnten, dem Schauplatz noch immer anhafteten. Spellar konnte die meisten erfassen. Falls aber Gift im Spiel war, so war es ihre Aufgabe, es zu finden. Die für sie wahrnehmbaren Spuren giftiger Substanzen verblieben nicht nur im Körper, sondern waren an allem zu finden, was das Individuum in seinen letzten Augenblicken berührt hatte.
    Oft gab es aber auch andere, höchst unangenehme und offenkundigere Beweise. Ihrer
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