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Sündiger Mond

Sündiger Mond

Titel: Sündiger Mond
Autoren: L Burton
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was damals ganz neu für mich war, und ich will dich nicht anlügen: Es stieg mir zu Kopf.
    Ich war noch nie die Ballkönigin. Für gewöhnlich war ich das Mädchen, das sich am nächsten Tag von seinen zahlreichen Freundinnen darüber berichten ließ. Was mir fehlte, waren Freunde – ernsthaft interessierte Freunde. Gelegentlich ging jemand mit mir aus, und ich war sogar ein paarmal geküsst worden, aber es ging nie weiter. Das Hauptproblem war wohl meine Reizlosigkeit – ich war nicht hässlich, Gott bewahre, aber eben nach den Maßstäben der damaligen Zeit auch nicht schön. Mein Gesicht war in Ordnung – es gefiel mir eigentlich ganz gut. Es besaß eine scharfe Zartheit, die damals vielleicht nicht in Mode war, die ich jedoch ästhetisch fand. Aber ich war zu schlank, zu sportlich, hatte zu kleine Brüste. Und um alles noch schlimmer zu machen, konnte ich den Männern auch nie an den Lippen hängen, nicht über ihre geistlosen Witze lachen und mir Lobreden ausdenken. Hinzu kam, dass ich halbwegs gebildet war und schon erste Schreiberfolge aufzuweisen hatte, auch wenn das damals noch kleine Fische waren. Ich hatte bisher zwei Kurzgeschichten und eine Handvoll Artikel und Essays veröffentlicht, aber ich träumte davon, einen Roman zu schreiben.
    Ich war vor allem deshalb von dieser Sache mit der Neuen Frau so begeistert, weil es für einen nicht so hübschen, sportlichen Blaustrumpf wie mich die perfekte Camouflage war. Da ich mit vierundzwanzig noch keinen ernsthaften Verehrer gehabt hatte, fürchtete ich langsam, nie mehr zu heiraten, weil mich anscheinend keiner haben wollte. Ungeachtet der Prinzipien der Neuen Frau gefiel mir jedoch die Aussicht nicht,
meine Tage als sauertöpfische alte Jungfer zu beschließen wie meine Großtante Pembridge.
    Ich wollte nicht unbedingt Kinder – wie Du weißt, gehörte das nie zu meinen Prioritäten. Wenn ich ehrlich bin, muss ich mit einer gewissen Scham zugeben, dass die Hauptmotivation für meinen Heiratswunsch wesentlich mehr mit den Erwartungen der Gesellschaft zu tun hatte als mit meinen innersten Wünschen. Ich hatte zwar künstlerische Neigungen und trat für die Rechte der Frauen ein, aber ich war in dem Glauben erzogen worden, dass die Ehe die Bestimmung einer Frau war und unverheiratete Frauen über dreißig mitleiderregend und unerwünscht waren.
    Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, gab es innerhalb der Grenzen der New Yorker Gesellschaft für eine unverheiratete Frau keinen respektablen Weg, um Sex zu haben. Dass ich noch Jungfrau war, bedeutete schließlich nicht, dass ich es für immer bleiben wollte. Sex faszinierte mich, aber da Frauen aus einer bestimmten Schicht über so etwas niemals sprachen, wusste ich nur wenig mehr davon als den grundlegenden Bewegungsablauf des Geschlechtsverkehrs. Die Freuden der Selbstbefriedigung hatte ich schon als Vierzehnjährige beim Baden entdeckt, deshalb wusste ich über den Orgasmus Bescheid, auch wenn mir lange Zeit nicht bewusst war, dass man das so nannte oder andere Leute das ebenfalls kannten.
    Hickley machte mir scheinbar aufrichtig, wenn auch nur kurz, den Hof, bevor er die entscheidende Frage stellte, am 1. April – das hätte mich eigentlich misstrauisch machen müssen. Er schien wirklich an mir interessiert zu sein, las alle meine Geschichten und Artikel. Rückblickend bin ich überzeugt, dass er mich aus dem Sears Dollar Princess Catalogue ausgewählt hat. Bestimmt hat ihn einer seiner Lakaien vorbereiten müssen, damit unsere erste Begegnung nicht so kalkuliert
wirkte. »Sie hat vor zwei Jahren einen Artikel im Scribner’s geschrieben, Mylord …« Es würde mich auch nicht überraschen, wenn er das gleiche Schiff wie Kit gebucht hätte, weil er wusste, dass wir befreundet waren und uns in New York immer sahen.
    Er war zwar nicht besonders gefühlsbetont, erklärte aber ständig, »mich zu achten«, was ich für seine etwas steife Art hielt, mir zu sagen, dass seine Gefühle für mich sich schließlich in Liebe verwandeln würden, so wie es bei mir wohl auch der Fall sein würde. Ich wusste von der Mitgift, glaubte aber, das sei bei Adelshochzeiten so üblich. Nicht einen Augenblick lang sah ich meine Verbindung zu Hickley in der gleichen Kategorie wie Consuelos Heirat mit Sunny. Zwar waren Hickley und ich noch kein Liebespaar, aber wir würden ganz sicher eines werden. Geld spielte dabei nur eine sekundäre Rolle.
    Okay, ich war also ein wenig naiv. Als Hickley nach England zurückkehrte und
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