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Sündige Gier

Sündige Gier

Titel: Sündige Gier
Autoren: Sandra Brown
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aneinandergeriet, rief sie ihm immer ins Gedächtnis, dass sie ihm schon den Hintern und die Nase geputzt hatte, dass beides nicht besonders angenehm gewesen war und dass sie es nicht besonders gern getan hatte. Dass sie einmal so vertraut mit seinem Körper war, auch wenn er damals noch ein Baby gewesen war, ärgerte ihn.
    Er zwängte sich an ihrem Hundert-Kilo-Rumpf vorbei, durchquerte die Küche, mit der man ein Restaurant betreiben konnte, trat an einen der Kühlschränke und zog die Tür auf. »Sofort, hat er gesagt.«
    Ohne sie einer Antwort zu würdigen, holte Creighton eine Dose Cola aus dem Kühlfach, riss die Lasche auf und nahm einen langen, tiefen Zug. Dann rollte er die kalte Dose über seine Stirn. »Bring Scott auch eine davon.«
    »Ihr Tennistrainer sitzt nicht im Rollstuhl.« Sie drehte sich wieder zur Küchentheke und klatschte mit der bloßen Hand auf den Rinderbraten, den sie gerade für den Bräter vorbereitete.
    Jemand sollte ihr endlich mal diese Flausen austreiben, dachte Creighton, während er sich durch die Schwingtür schob und auf den Weg zur Vorderseite des Hauses machte, wo das Arbeitszimmer seines Vaters lag. Die Tür war nur angelehnt. Er blieb kurz davor stehen, klopfte einmal mit der Coladose gegen den Türstock, drückte den Türflügel dann auf und spazierte, den Tennisschläger über der Schulter zwirbelnd, ins Zimmer. Er sah vom Scheitel bis zur Sohle aus wie ein Aristokrat, den man von der täglichen Leibesertüchtigung weggerufen hatte. Diese Rolle war ihm auf den Leib geschneidert.
    Doug Wheeler saß hinter seinem Schreibtisch, der von der Größe her dem Präsidenten angestanden hätte, aber viel protziger wirkte als alles, was im Oval Office zu finden war. Der Schreibtisch wurde von zwei Flaggenständern aus Mahagoni flankiert, die mit der Staatsflagge von Georgia beziehungsweise der Flagge der Vereinigten Staaten geschmückt waren. An beiden Seitenwänden starrten die Ölporträts von finster blickenden Vorfahren von der fleckigen Zypressenvertäfelung, die wahrscheinlich bis zum Jüngsten Gericht halten würden.
    »Scott lässt sich jede Minute bezahlen, und die Uhr läuft«, sagte Creighton zur Begrüßung.
    »Das hier kann leider nicht warten. Setz dich.«
    Creighton ließ sich in einen der Ziegenledersessel vor dem Schreibtisch seines Vaters fallen und lehnte den Tennisschläger dagegen. »Ich wusste gar nicht, dass du zu Hause bist. Bist du heute Nachmittag nicht zum Golfen verabredet?« Er beugte sich vor und stellte die Coladose auf die polierte Schreibtischfläche.
    Stirnrunzelnd schob Doug einen Untersetzer unter die Dose, damit kein Ring zurückblieb. »Ich bin nur kurz vorbeigekommen, um mich umzuziehen, bevor ich zum Club fahre«, erklärte er. »Aber dann ist etwas Wichtiges…«
    »Sag nichts«, fiel Creighton ihm ins Wort. »Bei der Prüfung des Etats für Heftklammern hat sich herausgestellt, dass Geld veruntreut wurde. Diese raffinierten Sekretärinnen.«
    »Paul ist tot.«
    Creightons Herz setzte einen Schlag aus. Sein Lächeln fiel in sich zusammen. »Was?«
    Doug räusperte sich. »Dein Onkel wurde vor einer Stunde im Hotel Moultrie erschossen.«
    Creighton starrte seinen Vater wortlos an, bis er schließlich tief Luft holte. »Also, in den unsterblichen Worten von Forrest Gump oder genauer gesagt seiner Mutter: >Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was man bekommt.<«
    Sein Vater sprang auf. »Ist das alles, was dir dazu einfällt?«
    »Ich finde, das trifft es ziemlich gut.«
    Creighton hatte seinen Vater noch nie weinen sehen. Auch jetzt weinte er nicht, aber seine Augen wirkten gefährlich feucht, und er schluckte viel zu oft und zu schwer. Um zu vertuschen, dass seine Gefühle ihn zu übermannen drohten, trat er hinter dem Schreibtisch hervor und stellte sich an das Panoramafenster. Er blickte hinaus in den Garten, wo mexikanische Hilfsarbeiter tief gebückt das Unkraut aus den bunten Blumenbeeten zupften.
    Deutlich leiser fragte Creighton: »Habe ich dich richtig verstanden, Vater? Onkel Paul wurde erschossen?«
    »Mitten in die Stirn. Aus nächster Nähe. Offenbar bei einem Überfall.«
    »Einem Überfall? Er wurde beraubt? Im Moultrie?«
    »So unglaublich sich das anhört.«
    Das Haar, das Doug mit seiner Hand durchkämmte, war genauso dicht und grau wie das seines Bruders - nunmehr verstorbenen Bruders -, der nur elf Monate älter gewesen war als er. Er und Paul gingen zum selben Friseur und zum selben Schneider. Weil sie
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