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Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit

Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit

Titel: Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit
Autoren: Shannon McKenna
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Kevin jetzt hätte aussehen können. Sie waren sich nicht ganz so ähnlich gewesen wie manch andere Zwillingspaare, aber Seans eigenes Abbild war noch immer sein bester Anhaltspunkt. Die oberflächlichen Details waren identisch: der muskelbepackte Körper, plus/minus die eine oder andere Narbe, und das wellige aschblonde Haar, das in seinem Fall in letzter Zeit struppig geworden war. Dazu das Spiegelbild von Kevins Grübchen in seiner eigenen stoppeligen Wange.
    Heute war in dem grimmigen Gesicht, das ihm entgegenblickte, kein Grübchen zu sehen. Unter seinen Augen schimmerten blassviolette Ringe, die seine hellgrünen Iriden seltsam ausgewaschen wirken ließen. Die tiefen Mulden unter seinen Wangenknochen erweckten den Eindruck, als wären sie mit einem Beil hineingehackt worden. Er sah grau aus in dem ungnädigen Licht. Bleich wie ein Zombie oder wie eine Gestalt, mit der man Kinder erschreckte, damit sie sich gut benahmen.
    Wenn er am 18. August in einen Spiegel blickte, war er gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen, wie sehr sein Gesicht Kevins glich – und wie sehr es das eben auch nicht mehr tat. Es war nach fünfzehn Jahren des Raubbaus härter und kantiger geworden. Er hatte einen Fächer von Blinzelfalten um seine Augen herum und Kerben um seine Mundwinkel.
    Im Laufe der Jahre würde die Ähnlichkeit weiter verblassen, bis Sean irgendwann ein verknöcherter, zahnloser, jammernder alter Kauz wäre, der mehrere Male die Spanne von Kevins kurzem Leben gelebt hatte. Ein gähnender Abgrund ungezählter Jahre.
    Er riss den Medizinschrank auf und nahm den Inhalt in Augenschein.
    Excedrin – gegen den Kopfschmerz. Sean schüttelte vier heraus, warf sie sich in den Mund, kaute, schluckte. Er beugte sich vornüber, lehnte seine pochende Stirn an das kühle Porzellan und stieß einen langen Schwall von Obszönitäten aus.
    Es war einfach zum Kotzen. Hätte die Zeit seine Wunden nicht heilen müssen? War das nicht ein natürlicher Prozess, vergleichbar mit einer Kontinentalverschiebung? Er bemühte sich so sehr loszulassen, aber dieses gottverfluchte Gefühl kreiste über ihm wie ein Aasgeier, der nur darauf wartete, ihm die Augen auszupicken und sich an seinem Fleisch gütlich zu tun. Manchmal wollte er sich einfach auf den Rücken legen und dem alten Geier den Gefallen tun.
    Und so fing es an. Das gluckernde Geräusch, mit dem Sean sein Leben den Abfluss runterspülte.
    Er musste unbedingt hier raus. Sich ohne Kaffee und den Austausch von Nettigkeiten davonzuschleichen, war nicht die feine englische Art, aber besser verschwinden als zuzulassen, dass sich die charmante Sexmaschine von letzter Nacht vor den Augen der Mädchen in einen grunzenden Zombie verwandelte.
    Als er vorsichtig an seinen Achseln schnüffelte, hätte es ihn fast umgehauen. Trotzdem war eine Dusche zu riskant. Das Gleiche galt für Kaffee, entschied er voll Bedauern, während er einen sehnsüchtigen Blick auf die glänzende Hightech-Kaffeemaschine in der Küche warf. Das Bohnenmahlwerk würde die beiden Honigbienen wecken, und dann säße er in der Patsche. Er wäre genötigt zu lächeln, zu plaudern, ihnen seine Telefonnummer zu geben.
    Er stolperte nach draußen in ein nichtssagendes Wohnviertel. Ohne Geld, ohne Brieftasche. Er verließ am Abend vor dem 18. August das Haus immer ohne Kreditkarten oder irgendetwas, auf dem seine Adresse stand. Nur Bargeld und Kondome. Auf der Suche nach zuckenden Lichtern, dröhnender Musik, Sex, Tanzen, Alkohol – alles, was eine höhere Erkenntnisfunktion abtötete, war ihm recht.
    Eine Prügelei half auch, vorausgesetzt, es fand sich jemand, der dumm genug war, sich mit ihm anzulegen. Er liebte eine ordentliche Schlägerei.
    Da er keine Ahnung hatte, welche Richtung er einschlagen sollte, entschied er sich blindlings für eine leicht abschüssige Straße. Bergauf zu laufen, würde seinen Herzschlag beschleunigen, und jedes Ba-bumm grub sich schon jetzt in sein Hirngewebe wie der Schlag eines Hammers.
    Nach unten. In den Abfluss, wie Kevin ihm in seinem Traum vorgehalten hatte. Das Feiern, das Ficken, das Prügeln. An Tagen wie diesen enttarnte er es als das, was es war: ein billiger Trick, um ihn von dem Krater in seiner Brust abzulenken.
    Sein gesamtes Leben war eine gottverdammte Farce.
    Der Krater wurde größer, der Boden bewegte sich, drohte, ihn in sich hineinzusaugen. Wenn er fiele, würde er möglicherweise nie wieder den Weg nach oben finden. Sein Vater hatte es nicht geschafft. Ebenso wenig
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