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Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case

Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case

Titel: Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case
Autoren: James Patterson
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Ärmel seiner alten Jeansjacke ab. Und wenn schon, dachte er, während er über sein markantes, zerfurchtes Gesicht strich. Jetzt wusste er, wie sich Vietnamveteranen fühlten, wenn sie in Washington ihre Gedenkstätte, die Mauer, besuchten. Hätten die Veteranen der Antikriegsbewegung ein Denkmal – eine Mauer der Tränen –, dann stünde es hier, wo alles begonnen hatte, im Washington Square Park.
    Über den windigen Park blickend, erinnerte er sich an all die unglaublichen Dinge, die sich hier ereignet hatten. Die Antikriegsdemonstrationen. Bob Dylan in den Kellerclubs auf der 4 th Street, wo er darüber gesungen hatte, in welche Richtung der Wind blies. Die von Kerzen erleuchteten Gesichter seiner alten Freunde, während sie Flaschen und Joints weitergereicht hatten. Die geflüsterten Versprechen, Dinge zu ändern und besser zu machen.
    Er ließ den Blick über die vielen Menschen wandern, die sich an diesem Freitagnachmittag am Brunnen in der Mitte tummelten, über die an den Schachtischen grübelnden Menschen, als könnte er dort ein vertrautes Gesicht entdecken. Aber wie sollte das möglich sein?
    Er zuckte mit den Schultern. Sie waren alle weitergezogen, genau wie er. Erwachsen geworden. Hatten sich verkauft. Oder waren im Untergrund. Im übertragenen Sinn. Und im wörtlichen.
    Jene Zeit, seine Zeit, hatte mittlerweile fast vollständig ihren Glanz verloren. Tot. Aus und vorbei.
    Aber nur fast, dachte er, als er sich hinkniete und die Schachtel mit den Flugblättern aus seinem Rucksack nahm.
    Und noch nicht ganz.
    Auf jedem der fünfhundert Blätter stand in drei Absätzen eine Botschaft mit der Überschrift » Liebe kann die Welt verändern«.
    Wer sagt denn, dass man die Vergangenheit nicht zurückholen kann? Ein Zitat von Keith Richards blitzte in seinem Kopf auf, als er die Blätter sauber auf einen Stapel legte.
    » Ich habe eine Nachricht für euch. Wir sind nicht unterzukriegen. Ihr könnt uns aufhängen, aber sterben tun wir deswegen noch lange nicht.«
    Du hast’s erfasst, Keith, dachte er und kicherte. Los, Bruder. Legen wir los. Wir beide.
    In den letzten Jahren hatte er sich immer öfter an seine Jugend erinnert. Allein damals hatte er das Gefühl gehabt, etwas zu sagen zu haben und sich im positiven Sinne von anderen abzusetzen.
    Geriet er nach all dieser Zeit in eine Midlife-Crisis? Das war ihm egal. Er hatte beschlossen, sich noch einmal auf dieses Gefühl einzulassen. Besonders in Anbetracht der letzten Ereignisse. Die Not der Welt war inzwischen noch größer als damals, als er und seine Freunde genau dagegen angekämpft hatten. Es war Zeit, den Kampf wiederaufzunehmen. Menschen wachzurütteln, bevor es zu spät war.
    Deswegen war er hier. Schon einmal hatte es funktioniert. Schließlich hatten sie einen Krieg beendet. Vielleicht könnte das wieder passieren. Er war zwar viel älter, aber noch längst nicht tot. Nein, tot war er noch nicht.
    Er leckte seinen Daumen an und nahm das erste Blatt vom Stapel. Lächelnd erinnerte er sich an die zahllosen Flugblätter, die er ’ 68 in Berkeley, Seattle und Chicago verteilt hatte. Jetzt, nach all den Jahren, war er wieder da. Unglaublich. Was für ein verrücktes Leben. Jetzt saß er wieder im Sattel.

2
    » Hallo«, grüßte er eine junge schwarze Frau mit Kinderwagen und hielt ihr ein Flugblatt hin.
    Er lächelte sie an und blickte ihr in die Augen. Er konnte schon immer gut mit Menschen umgehen. » Ich habe hier eine Botschaft. Vielleicht sollten Sie mal einen Blick darauf werfen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Sie betrifft, nun ja, alles.«
    » Lassen Sie mich, verdammt noch mal, mit diesem Quatsch in Ruhe«, lehnte sie mit überraschender Vehemenz ab und schlug ihm das Flugblatt beinahe aus der Hand.
    Damit habe ich irgendwie rechnen müssen, dachte er mit einem Nicken. Einige Menschen reagierten eben aggressiv. Das gehörte dazu. Unbeirrt ging er auf eine Gruppe Jugendlicher zu, die am Garibaldi-Denkmal Skateboard fuhren.
    » Tag, Jungs. Ich habe hier eine Botschaft, die ihr vielleicht mal lesen solltet. Nimmt nur ein paar Sekunden eures Tages in Anspruch. Wenn ihr euch Sorgen um die allgemeine Situation und eure Zukunft macht, solltet ihr über das hier wirklich mal nachdenken.«
    Sie blickten ihn sprachlos an. Als er sie aus der Nähe betrachtete, war er über die Krähenfüße um ihre Augen überrascht. Sie waren keine Jugendlichen mehr. Waren Ende zwanzig, Anfang dreißig. Sahen hartgesotten aus. Sogar irgendwie fies.
    » Heilige
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