Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süden und das verkehrte Kind

Süden und das verkehrte Kind

Titel: Süden und das verkehrte Kind
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
doch nicht bescheuert! Ich bin doch nicht kopfkrank!«
    »Haben Sie Ihre Tochter gefunden?«
    Anmerkung: Die Zeugin wirkt völlig konsterniert. Sie will etwas sagen, bringt jedoch keinen Ton heraus. Die Frage scheint sie aus der Fassung zu bringen, sie stößt gegen das Wasserglas und wirft es beinah um. Mit nervösen Bewegungen fährt sie sich wieder durch die welligen, frisch gewaschenen Haare.
    »Wenn ich meine Tochter gefunden hätt, dann wär sie doch jetzt da.«
    »Waren Sie am vergangenen Freitagabend am Isarkanal bei Höllriegelskreuth?«
    »Was hätt ich da sollen?«
    »Das weiß ich nicht. Waren Sie dort?«
    »Am Isarkanal?«
    »Auf der Straße zwischen dem Wasserkraftwerk und dem ›Brückenwirt‹.«
    »Nein.«
    »Sie waren nicht dort?«
    »Wieso denn?«
    »Ich habe deshalb gefragt, weil meine Kollegen mit einem Zeugen gesprochen haben, der in dem Haus auf dem Gelände des Kraftwerks wohnt. Und dieser Zeuge behauptet, er habe am Freitagabend einen dunkelblauen Citroen Xsara gesehen, der am Kanal entlanggefahren sei.«
    »Ich fahr bestimmt nicht als Einzige so ein Auto. Hat der Zeuge eine Autonummer genannt?«
    »Ja.«
    Anmerkung: Die Zeugin verstummt. Lange Zeit spricht niemand.
    »Wieso hat der die Autonummer aufgeschrieben?«
    »Er hat sie nicht aufgeschrieben, Frau Kolb, er hat sie sich zufällig gemerkt, sie ist ja auch nicht schwer zu behalten. Es ist die Nummer Ihres Autos.«
    »Ich hab die Nasti da gesucht.«
    »Sie waren also auf der Straße am Kanal.«
    »Ich bin rumgefahren. Das wissen Sie doch! Ich hab mein Kind gesucht. Ich hab mein Kind gesucht und da war ich auch am Kanal und überall. Ich muss auf die Toilette.«
    »Meine Kollegin, Frau Epp, wird mit Ihnen kommen.«
    »Warum denn?«
    Fortsetzung der Vernehmung: vierzehn Uhr vierzig.
    »Ich glaub nicht, dass sich der Zeuge meine Autonummer gemerkt hat, das sagen Sie nur so, Sie wollen mich einschüchtern.«
    »Ich will Sie doch nicht einschüchtern, Frau Kolb. Ich möchte mit Ihnen gemeinsam herausfinden, warum Ihre kleine Nastassja tot im Wald von Höllriegelskreuth lag.«
    Anmerkung: Die Zeugin errötet über das ganze Gesicht, die Nachricht vom Tod ihrer Tochter, den ihr Hauptkommissar Süden bisher verschwiegen hat, versetzt sie in einen Zustand stummer Panik. Sie krallt die Finger um die Tischkante und starrt HK Süden an.
    Sie weint nicht.
    »Wir haben die Leiche nahe der Straße am Kanal gefunden, auf der Sie am Freitagabend unterwegs waren, Frau Kolb. Meine Kollegin und ich haben sie gefunden. Mit der Hilfe Ihres Sohnes.«
    »Fabian war auch dabei?«
    »Fabian war auch dabei.«
    »Warum denn?«
    »Er hatte einen Turnschuh gefunden, einen Schuh von Nastassja. Darüber hat er einen Tag lang nachgedacht, dann hat er mich angerufen.«
    »Sie?«
    »Ja.«
    »Worüber hat er denn nachgedacht?«
    »Ich vermute, darüber, wie es möglich ist, dass seine Schwester tot ist.«
    »Aber er hat doch gar nicht gewusst, dass sie tot ist! Oder?«
    »Nein. Er hat es vermutet. Wo sollte sie denn sein?«
    »Und dann hat er gedacht, ich hab sie getötet?«
    »Das denkt er.«
    »Aber das stimmt nicht!«
    Anmerkung: Die Zeugin hat laut geschrien. Sie trommelt mit den Fäusten auf den Tisch, so fest, dass HK Süden ihr Wasserglas festhalten muss, damit es nicht umkippt.
    »Das ist falsch, was er denkt!«
    »Ich belehre Sie darüber, dass ich Sie von nun an nicht länger als Zeugin vernehme, sondern als Tatverdächtige. Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern und einen Anwalt hinzuzuziehen. Möchten Sie jetzt einen Anwalt anrufen?«
    »Nein.«
    Anmerkung: HK Süden wiederholt die Fragen, die er Matrimonia Kolb bereits als Zeugin gestellt hat. Bei der Frage, ob sie am Kanal entlanggefahren sei, antwortet sie, anders als vorhin, sofort mit Ja.
    »Hat Ihre Autonummer eine bestimmte Bedeutung? Stehen die Buchstaben für einen Namen?«
    »Bitte?«
    »M-MA drei-drei-zwei-zwei. Bedeutet das den Namen Emma?«
    »Wieso?«
    »Wer ist Emma, Frau Kolb?«
    »Niemand. Meine Tochter hätt so heißen sollen. Aber Torsten wollt den Namen nicht, der wollt Nastassja, der fand den Namen modern.«
    »Ihnen gefällt der Name nicht?«
    »Ich hab mich dran gewöhnt.«
    »Warum wollten Sie Ihre Tochter Emma nennen?«
    »Meine Großmutter hat so geheißen, die war die einzig Normale in der Familie.«
    »Ihre Tochter hat also in Ihren Augen einen falschen Namen.«
    »Der ist schon richtig, der Name, der passt schon zu ihr. Sie ist eine richtige Nastassja.«
    Anmerkung: Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher