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Süden und das verkehrte Kind

Süden und das verkehrte Kind

Titel: Süden und das verkehrte Kind
Autoren: Friedrich Ani
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den Paragraphen zweiundfünfzig und dreiundfünfzig StPO vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Vernehmungsbeginn neun Uhr zwanzig, Mittwoch, zehnter April. Hauptkommissar Tabor Süden wurde darüber belehrt, dass er die Aussage verweigern kann, wovon er keinen Gebrauch macht. Diese informatorische Befragung dient ausdrücklich der Klärung der Frage, ob ein Straftatbestand vorliegt oder nicht. Außer dem Staatsanwalt nehmen daran teil… Sie kennen die Namen, Frau Haberl. – Herr Süden, trifft es zu, dass Sie vor zwei Tagen, am Montag, dem achten April, in diesem Raum in Gegenwart Ihres Kollegen Martin Heuer die Vernehmung eines Mannes durchgeführt haben, der verdächtigt wurde, an der Entführung seiner eigenen Tochter beteiligt zu sein?«
    »Der Verdacht besteht immer noch«, sagte ich.
    »Bitte gewöhnen Sie sich an, auf meine Fragen zu antworten!«
    Vester saß aufrecht da, die Ellbogen auf den Armlehnen , mit ausdrucksloser Miene.
    »Ja«, sagte ich.
    »Im Verlauf dieser Vernehmung kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen Ihnen und dem Verdächtigen, stimmt das?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Er log uns an«, sagte ich. »Er machte sich lustig über uns. Er machte uns Vorwürfe…«
    »Welcher Art waren diese Vorwürfe?«, unterbrach er mich.
    »Wir seien nicht fähig, seine Tochter zu finden, deshalb würden wir unsere Unfähigkeit an ihm abreagieren.«
    »Gab es weitere Vorwürfe?«
    »Ja«, sagte ich.
    Funkel blickte zu Boden, Thon kratzte sich mit dem Zeigefinger am Hals und wirkte angespannt und wütend. Und er hatte Grund dazu.
    »Torsten Kolb sagte, er könne uns sowieso nicht ernst nehmen, weil wir betrunken seien.«
    »Was haben Sie darauf erwidert?«, sagte Vester.
    »Dasselbe wie Sie«, sagte ich. »Er solle auf unsere Fragen antworten und sonst nichts.«
    »Hat er das getan?«
    »Er hat weiter gelogen.«
    »Wie kam es zu der tätlichen Auseinandersetzung?« Dasselbe hatte er mich vor einer halben Stunde gefragt.
    »Er sagte, ich soll ihn am Arsch lecken.«
    »Und deswegen haben Sie ihn gepackt, vom Stuhl gezerrt und zu Boden geworfen?«
    Funkel kratzte sich an der Lederklappe über seinem linken Auge, Thon nestelte an seinem Halstuch, eine Angewohnheit, die mir in diesem Moment komisch vorkam.
    »Ich weiß nicht mehr, warum ich es getan habe.« Dasselbe hatte ich schon vor einer halben Stunde zu ihm gesagt.
    Nach einem Schweigen sagte Karl Funkel: »Du musst eine Erklärung finden. Denk nach, was waren die letzten Worte, bevor du ausgerastet bist, wir brauchen eine Erklärung.«
    »Anmerkung«, sagte Vester und drehte ein wenig den Kopf zu Erika Haberl. »Hauptkommissar Süden ist bekannt für seine eigenwilligen Verhörmethoden, wie aus seinen Akten hervorgeht. Obwohl er bisher nie handgreiflich wurde, so fühlten sich einige Personen, die es mit ihm zu tun bekamen, durch seine Art herausgefordert, auch Kollegen, wie Kommissariatsleiter Thon bestätigte.«
    »Dies ist keine Beschuldigtenvernehmung, Herr Staatsanwalt«, sagte Thon, ohne ihn anzusehen.
    »Das war eine Anmerkung«, sagte Vester. »Herr Süden… Bleiben Sie bei Ihrer Aussage? Soll Ihre Erklärung ›Ich weiß nicht, warum ich den Verdächtigen Kolb niedergeschlagen habe‹ so ins Protokoll?«
    »Nein«, sagte ich. Er wollte etwas sagen. »Ich habe ihn nicht niedergeschlagen«, sagte ich. »Ich habe ihn zu Boden geworfen, sonst nichts.«
    »Es bleibt beim Tatbestand der Körperverletzung in Ausübung Ihres Dienstes. Ist Ihnen das bewusst?«
    »Natürlich«, sagte ich.
    »Anmerkung«, sagte Vester. »Bis zum jetzigen Zeitpunkt liegt keine Anzeige des Opfers vor. Herr Süden… Folgen wir vorübergehend Ihrer Formulierung, Sie hätten den zur Vernehmung geladenen Torsten Kolb nicht niedergeschlagen, sondern lediglich zu Boden geworfen. Würden Sie sagen, dass diese Formulierung auch auf Ihr Vorgehen gegen Ihren Kollegen Martin Heuer zutrifft?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Dann frage ich Sie: Trifft es zu, dass Sie Ihren Kollegen, Hauptkommissar Martin Heuer, unmittelbar nachdem Sie Torsten Kolb zu Boden geworfen haben, tätlich angegriffen, seinen Kopf gegen die Wand geschlagen, ihn mit einem Faustschlag ins Gesicht niedergestreckt und anschließend auf ihn eingeschrien haben, und zwar so lange, bis Kollegen aus anderen Büros aufmerksam wurden und den schwer verletzten, blutenden Kommissar vorfanden? Trifft es zu, dass Sie, als Ihre Kollegen bereits den Raum betreten hatten, immer noch weiter
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