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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich mit einem harten Pochen im Rhythmus seines Herzschlags zurück. Er versuchte seinen miserablen Zustand zu ignorieren, aber es gelang ihm nicht. Akuyis normalerweise helles, lichtdurchflutetes Zimmer war unnatürlich dunkel, fast wie die Höhle, in der er im Traum mit ihr hatte Schutz suchen wollen, um den Sturmgewalten zu entkommen. Und jetzt hörte er ganz deutlich den Regen, der mit solcher Wucht niederprasselte, dass er trotz der Dreifachverglasung des Fensters wie ein Trommelfeuer aus mehreren Maschinenpistolen klang. Das also war das Geräusch, das er fälschlicherweise mit dem Bild der zwei Hügel in Verbindung gebracht hatte.
    Ein weiteres Puzzleteil, das ihm bewies, wie leicht er sich in etwas hineinsteigerte. Dort draußen tobte ein Unwetter, ein Sturm, der den Regen gegen die Südseite des Hauses peitschte. Dirk hatte nicht auf die Uhr geschaut, aber er schätzte, das es später Vormittag war. Umso erstaunlicher, dass kaum Helligkeit ins Zimmer drang. Das Licht reichte gerade aus, um ihn die sauberen Stapel erkennen zu lassen, zu denen er Akuyis Sachen geordnet hatte. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was sie dazu sagen würde, käme sie jetzt unerwartet nach Hause und würde über seine Schulter einen Blick in ihr Zimmer werfen.
    Trotzdem. Irgendwo hier steckte vielleicht ein Hinweis auf den jetzigen Aufenthaltsort seiner Tochter. Etwas, das auch mit dem leicht süßlichen Geruch zusammenhing, den er zu riechen vermeinte und der jedes Mal, wenn er das Zimmer betrat, stärker geworden zu sein schien.
    Gerade als er auf den Lichtschalter drücken wollte, klingelte sein Telefon. Er griff nach der Gürteltasche, holte es hervor und warf einen Blick auf das Display, in der Hoffnung, es sei Mario, der bereit war, einen Schlussstrich unter ihren lächerlichen Streit zu ziehen. Aber er wurde enttäuscht. Eine ihm unbekannte Handynummer wurde angezeigt. »Ja?«, meldete er sich.
    »Biermann«, sagte eine sonore Männerstimme »Harry Biermann. Ich habe gehört … Sie suchen Ihre Tochter.«
    Dirk stieß zischend die Luft aus. »Ja. Haben Sie … Wissen Sie …?«
    »Ich weiß nicht, wo sie ist«, antwortete Biermann rasch. »Zumindest noch nicht.«
    Dirk schloss die Augen und umklammerte das Handy so fest, als wolle er es zerquetschen.
    »Was soll das heißen?«, fragte er scharf.
    »Sie kennen mich«, sagte Biermann anstelle einer direkten Antwort. »Es ist schon eine ganze Weile her, und wir hatten nur indirekt Kontakt. Ich habe damals für Kurt gearbeitet. Kurt Knusen.«
    »Ja, ich erinnere mich.« Dirk riss die Augen wieder auf und starrte in Akuyis so fremd wirkendes Zimmer. Es war nicht richtig, dass er hier alles durchgewühlt und dann nach Kategorien sortiert hatte, das wurde ihm mit schmerzhafter Deutlichkeit klar. Es war beinahe so, als hätte er damit ihrer Seele Gewalt angetan.
    »Kurt Knusen ist ein Idiot«, fuhr er fort. »Ich habe ihn gut bezahlt, aber er hat mir nur heiße Luft geliefert.«
    »Ja«, sagte Biermann. »Kurt ist ein Idiot. Deswegen habe ich mich auch von ihm getrennt. Ich habe jetzt ein eigenes Büro.«
    »Glückwunsch.« Dirk betrat das Zimmer. Der Regen prasselte mit ungestümer Gewalt gegen die Terrassentür und das große Fenster, und das Wasser lief in breiten Schlieren über die Scheiben nach unten. Der Anblick erinnerte Dirk unangenehm an die Bugfenster eines Schiffes, das sich verzweifelt durch ein Unwetter kämpft. »Wenn Sie für einen Idioten gearbeitet haben, Biermann – was sagt mir das dann? Dass Sie auch einer sind?«
    Biermann schluckte die Beleidigung ohne Gegenwehr. »Ich war damals für den ganzen Schriftkram zuständig. Sie wissen schon: Einarbeiten in das Profil Ihrer Frau …«
    »Exfrau.«
    »Von mir auch aus Exfrau. Kontaktaufnahme mit Behörden, Verwandten und alten Freunden. Der ganze Krempel, der notwendig ist, wenn man gewillt ist, jeder noch so kleinen Spur nachzugehen.« Dirk glaubte geradezu zu hören, wie sich Biermann straffte. »Und das verschafft mir jetzt einen gehörigen Vorsprung gegenüber jedem anderen, der sich mit dem Fall beschäftigt.«
    »Die Polizei …«
    »Die Polizei nimmt Sie doch gar nicht ernst«, unterbrach ihn Biermann ruhig. »Die geben die Daten zum Abgleich in einen Computer ein, legen eine Akte an, führen vielleicht noch ein paar Telefonate – und das war's dann.«
    Dirk drehte sich zur Wand um. Auch hier hingen afrikanische Masken. Eine von ihnen, mit grotesk vergrößerten Augen, wulstigen Lippen und einem gespaltenem
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