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 Sturm im Elfenland

Sturm im Elfenland

Titel: Sturm im Elfenland
Autoren: Frances G. Hill,
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Sonne zauberte einen goldenen Kranz um sein gesenktes Haupt.
    »Mein Freund«, sagte er schließlich, und ich atmete tief ein – vor Freude, vor Furcht?
    »Mein Freund, der Junge, um den du dich sorgst, ist das Kind eines Verschwörers.« Er hob den Blick, den ich so furchtlos zu erwidern suchte, wie es mir möglich war.
    »Was denkst du, was soll mit ihm geschehen?«
    Er fragte mich. Ich musste an mich halten, nicht vor Erleichterung auf die Knie zu sinken.
    »Mein Herr«, erwiderte ich, »ich könnte den Jungen hier bei mir behalten.« Während ich das sagte, wusste ich bereits, dass er es ablehnen würde.
    »Wie willst du das bewerkstelligen?«, fragte er auch sofort. »Willst du einen Halbwüchsigen an deiner Hand führen, wenn wir Seite an Seite mit unseren Verbündeten gegen die Dämonenheere bestehen müssen?«
    »Er bleibt nicht immer ein Junge«, wagte ich einzuwenden.
    Er beugte sich vor, sah mich eindringlich an. »Du willst ihn ausbilden. Du vergisst seine Herkunft.«
    »Nein, Herr, wie könnte ich sie jemals vergessen?« Mein Lachen war nicht gespielt.
    Seine Stirn glättete sich. Er erwiderte mein Lächeln und seine Hand berührte meine Schulter. »Gib ihn zu einer Familie, der du vertrauen kannst. Und ich vertraue deinem Wort, dass er seine Herkunft für immer vergisst.«
    Ich erwiderte seinen Blick mit aller Offenheit und nickte. Diese Lüge war mein erster Verrat an meinem Herrn, und ich ahnte, dass ihm noch weitere folgen würden.
    Ach, Audra, was hast du uns angetan!

Kapitel 2

    Es war ein riesengroßes, einschüchternd prächtiges Haus. Der unbekannte Onkel, dem es gehörte, war ein Edler, hatten sie ihm gesagt.
    Er konnte es gar nicht recht glauben, dass hier die Verwandtschaft seiner Mutter lebte. Auberons Sippe, hatten sie betont. Und er solle dankbar sein, dass sein Onkel bereit war, ihn aufzunehmen. Ihn, einen Jungen aus dem Schattenwald, ein Bettlerkind – auch wenn seine Mutter wahrhaftig die Tochter eines Junkers war.
    War. Gewesen war? Das war die richtige Art, es auszudrücken, auch wenn der Gedanke immer noch so wehtat, als hätte man einen Teil seines eigenen Körpers aus ihm herausgeschnitten. Warum blutete er nicht? Lebte er überhaupt noch oder lief er wie eine bloße Hülle durch die Welt? Ausgehöhlt, trocken und leer vor Trauer fühlte er sich. Aber da war auch noch ein anderes Gefühl, und er hatte es nicht richtig deuten können, bis er das Anwesen seiner Verwandten erblickte, auf dem er von nun an leben würde – der arme Verwandte, das bedauernswerte Waisenkind. Da wusste er, welches Gefühl es war, das sich wie ein scharfer Dorn in sein Inneres bohrte.
    Zorn.
    Purer, glühender Zorn pulsierte durch seine Adern und hämmerte in seinen Schläfen. Zorn schnürte ihm die Kehle zu und hinterließ den kalten Geschmack von Eisen und Asche in seinem Mund. Zorn summte in seinen Ohren, verschleierte seine Augen und ließ seine Hände nach etwas suchen, das sie zerquetschen konnten, zerschmettern, zerreißen.
     
    Der dunkelhaarige Elf namens Munir hatte ihn hierhergebracht. Munir war auch bei ihm gewesen, als er aus seinem betäubten Schlaf erwacht war und sich voller Schrecken in einer fremden Umgebung, eingesperrt hinter einer geschlossenen Tür, wiedergefunden hatte. Es war das erste Mal in seinem Leben gewesen, dass er sich in einem rundum geschlossenen Raum befunden hatte, durch dessen Mauerwerk weder Luft noch Licht eindringen konnte. Er erinnerte sich voller Scham daran, dass er geschrien und nach seiner Mutter gerufen und blind um sich geschlagen hatte, als der dunkle Elf ihn besänftigend berühren wollte.
    Scham, Trauer, Zorn. Das waren die Gefühle, die an ihm zerrten, seit ...
    Er schreckte vor dem Gedanken zurück wie vor weiß glühendem Eisen.
    Seit ...
    Es gelang ihm nicht, den Gedanken zu fassen; er entschlüpfte, als wäre er eine Forelle, die sich durch seine Finger schlängelte, wenn er sie im strömenden Bach zu greifen versuchte.
    Es war einfacher, an etwas anderes zu denken: Seit er aus dem betäubten Schlaf erwacht war und sich in einer fremden Welt wiedergefunden hatte. Allein unter Fremden, die ihn mit unfreundlichen oder teilnahmslosen Augen betrachteten und kalte oder gleichgültige Worte an ihn richteten.
    Das Zimmer, in dem er erwacht war, gehörte zu einem Nebengebäude des königlichen Schlosses. Aber das fand er erst viel, viel später heraus, erst nachdem er gelernt hatte, seine Furcht zu beherrschen und die Beklemmung, die ihm diese steinernen
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